Cassius Dio Cocceianus

44, 16-20

16) Sie beschlossen, den Anschlag im Senatsgebäude auszuführen; denn sie rechneten damit, dass Caesar an diesem Ort am wenigsten ein Attentat erwarte und so ihnen leichter zum Opfer fallen werde. Außerdem könnten sie in Sicherheit über eine Menge Schwerter verfügen, die anstelle von Schriftstücken in Behältnissen hereingebracht worden seien, und die übrigen Anwesenden, da unbewaffnet, keine Hilfe leisten. Sollte aber einer tatsächlich so verwegen sein, dann hofften sie zum mindesten auf die Hilfe der Gladiatoren, die sie zuvor in großer Zahl im Theater des Pompeius unter dem Vorwand, dass sie dort kämpfen müßten, bereitgestellt hatten; sie sollten hier irgendwo in einem bestimmten Raum des Peristyls beisammen warten. Als nun der entscheidende Tag gekommen war, trafen sich die Verschworenen am frühen Morgen im Senatsgebäude und verlangten nach Caesar.
17) Was ihn nun betraf, so warnten ihn vor dem Anschlag nicht nur Wahrsager, es warnten ihn auch Träume. Denn in der Nacht vor seiner Ermordung träumte seine Frau, dass ihr Haus in Trümmer gefallen und ihr Gemahl von einigen verwundet worden sei und sich an ihre Brust geflüchtet habe. Und Caesar träumte, er sei zu den Wolken emporgehoben worden und habe Iuppiters Hand ergriffen. Außerdem wurden ihm nicht wenige oder unbedeutende Vorzeichen zuteil: Die Waffen des Mars, die damals nach Vätersitte bei ihm als dem Pontifex Maximus niedergelegt waren, verursachten im Laufe der Nacht einen gewaltigen Lärm, und die Türen des Zimmers, in dem er schlief, öffneten sich von selbst. Weiterhin fielen die Opfer, die er ob dieser Vorfälle veranstaltete, ganz und gar nicht günstig aus, und die Vögel, durch die er sich prophezeien ließ, verboten ihm, das Haus zu verlassen. Auch das, was mit seinem vergoldeten Stuhl geschah, erschien einigen, jedenfalls nach seiner Ermordung, unheilverkündend; denn der Diener hatte ihn, als sich Caesars Ankunft verzögerte, aus der Curie entfernt, in der Meinung, man benötige ihn nicht mehr.
18) Caesars Kommen verzögerte sich nun deshalb, und die Verschwörer mussten schon fürchten, es werde einen Aufschub geben - nach einem im Umlauf befindlichen Gerücht hieß es tatsächlich, er wolle diesen Tag ganz zu Hause bleiben - und das Attentat fehlschlagen und ihre Entdeckung erfolgen. Aus diesem Grunde entsandten sie den Decimus Brutus, damit er als anscheinend enger Freund Caesars ihn zu kommen veranlasse. Er zerstreute auch dessen Bedenken und erreichte unter Hinweis, dass der Senat ihn sehr gern sehen würde, wirklich sein Kommen. In diesem Augenblick stürzte ein Bildnis Caesars, das er im Vorraum hatte aufstellen lassen, von selbst zu Boden und brach in Stücke. Doch da er an diesem Tage sterben sollte, kümmerte er sich nicht weiter darum und wollte auch nicht auf einen Mann hören, der ihm Angaben über die Verschwörung machte. Er nahm zwar von ihm eine kleine Schriftrolle entgegen, darin sämtliche auf das Attentat bezüglichen Vorbereitungen genau aufgezeichnet waren, las sie aber nicht, in der Meinung, sie enthalte nur irgendeine Sache ohne dringende Bedeutung. Kurzum, er fühlte sich so sicher, dass er zu dem Wahrsager, der ihn einmal gewarnt hatte, sich vor jenem Tag in acht zu nehmen, spöttisch bemerkte: »Wo sind denn nun deine Prophezeiungen? Oder siehst du denn nicht, dass der Tag, vor dem du bangtest, da ist und ich immer noch am Leben bin?« Darauf gab der Mann, wie es heißt, nur die Antwort: »Jawohl, er ist da, aber noch nicht vorüber!«
19) Als nun Caesar schließlich in der Curie eintraf, hielt Trebonius den Antonius irgendwo außerhalb des Gebäudes auf. Sie hatten nämlich geplant, ihn wie auch Lepidus zu töten, doch da sie fürchteten, sie möchten infolge der großen Zahl ihrer Opfer in den üblen Ruf geraten, als hätten sie, nur um Macht zu gewinnen und nicht, wie sie doch immer vorschützten, um die Stadt zu befreien, Caesar getötet, so wollten sie nicht einmal Antonius' Anwesenheit bei der Mordtat. Lepidus indessen hatte schon seinen Feldzug angetreten und hielt sich vor der Stadt auf. Als sich nun Trebonius mit Antonius unterhielt, drängten sich die übrigen Verschwörer in dichter Schar um Caesar - er war ja leicht zugänglich und ansprechbar wie nur irgend jemand - und während die einen mit ihm redeten, taten die anderen so, als wollten sie ihn um etwas bitten; das sollte ihm möglichst jeden Verdacht nehmen. Wie nun der rechte Augenblick gekommen war, ging einer aus der Schar auf Caesar zu, so, als wolle er ihm für eine gewisse Gefälligkeit danken, und riß ihm die Toga von der Schulter, womit er das Zeichen gab, das die Verschwörer vereinbart hatten. Jetzt drangen sie von vielen Seiten zugleich auf ihn ein und verwundeten ihn über und über, so dass Caesar infolge ihrer Masse weder etwas zu sagen noch zu tun imstande war, vielmehr nur sein Antlitz verhüllte und dann den zahlreichen Wunden erlag. Dieser Bericht kommt der Wahrheit am nächsten, doch fügten einige auch noch hinzu, er habe zu Brutus, als dieser ihm einen gewaltigen Stoß versetzte, gesagt: »Auch du, mein Sohn?«
20) Aus dem Munde all der übrigen, die sich im Raume aufhielten, wie auch jener, die draußen in der Nähe standen, erhob sich natürlich ein gewaltiger Aufschrei. Das kam von dem jähen Eintritt der Katastrophe, und außerdem wusste man nichts von den Mördern, ihrer Menge oder ihrer Absicht, und so waren alle in Unruhe, da sie sich gefährdet wähnten. Deshalb machten sie sich nicht nur selbst, ein jeder so gut er konnte, auf die Flucht, sondern versetzten auch alle, die ihnen begegneten, in Schrecken, indem sie kein verständliches Wort hervorbrachten, vielmehr immer nur schrien: »Fliehen! Abriegeln! Abriegeln!« Und nun übernahm der ganze Rest, jeder einzelne vom anderen, die Worte und schrie sie dauernd weiter, erfüllte die Stadt mit Wehklagen, brach in die Werkstätten und Häuser und suchte sich dort zu verstecken. Dabei eilten doch die Mörder, genau so wie sie waren, auf das Forum und forderten mit Gesten sowohl wie mit Zurufen die Leute auf, keine Furcht zu haben. Gleichzeitig mit diesen Erklärungen verlangten sie nämlich immer wieder nach Cicero, jedoch die Masse glaubte keineswegs an ihre Aufrichtigkeit und ließ sich auch nicht leicht besänftigen; erst später und mühsam genug faßte sie, da niemand getötet oder festgenommen wurde, wieder Mut und beruhigte sich.


Quellenliste