Sir Francis Drake - Pirat der Königin

Proseminarsarbeit von Oliver H. Herde

Drakes Herkunft
Drakes frühe Fahrten
Die Weltumsegelung
Die englisch-spanischen Beziehungen
Kriegsfahrten Drakes gegen die Spanier
Der Sieg über die Armada
Beiderseitige buchstäbliche Rückschläge
Drakes letzte Fahrten
Fazit
Drei Briefe der Königin Elisabeth I. an Sir Francis Drake
vom 4.5.1589 * vom 1.8.1595 * vom 16.8.1595
Abschließende, allgemeine Bemerkungen zu den Briefen
Quellen * Literatur * Fußnoten

Drakes Herkunft

Francis Drake wurde zwischen 1540 und 15431 in Crowndale bei Plymouth als Sohn eines puritanischen Pachtbauern in Devonshire geboren. Er verdingte sich zunächst als Werftarbeiter, dann als Matrose und Schmuggler.

Drakes frühe Fahrten

Als erstes nahm er an einer Handelsexpedition zur afrikanischen Guineaküste teil. Weitere Fahrten nach Afrika und mit Sklaven nach Südamerika folgten.
Drake zeichnete sich als begabtester Schüler seines Vetters, des Kapitäns John Hawkins aus. Dieser unternahm mit ihm in den 1560ern drei Expeditionen, mit denen er in den Handel mit Sklaven aus Afrika in Mittelamerika einzusteigen versuchte. Die ersten beiden, zu denen sie 1562 und 1564 mit drei Schiffen
2 aufbrachen, wurden von Erfolg gekrönt. Mit ihnen begründeten sie den großen Ringhandel zwischen Europa, Afrika und Amerika mit. Über zehn Millionen umgekommene Schwarze gehen zu Lasten britischer Sklavenhändler.
Auch die dritte Fahrt 1567 führte die kleine Flotte Hawkins', die jetzt aus fünf Schiffen bestand, zunächst an die afrikanische Küste, wo man Eingeborene einfing, um sie zu verkaufen. Ein Stammeshäuptling machte Hawkins das Angebot, sich mit ihm gegen einen anderen Stamm zu verbünden. Dabei kümmerte den Afrikaner das spätere Schicksal gefangener Feinde nicht - die Engländer sollten sie als Belohnung erhalten. Hawkins nahm an und gemeinsam überfiel man eine angeblich 8-10.000 Einwohner zählende Stadt und verwüstete sie trotz massiven Widerstands. Die Engländer konnten mit 470 Gefangenen abziehen.3
Die Expedition scheiterte dennoch, als Hawkins' Flotte unter Bruch von Abmachungen mit dem Vizekönig im spanischen Kolonialhafen San Juan de Ulea südöstlich von Vera Cruz angegriffen wurde. Der Vizekönig betrachtete die Engländer wegen ihres reformierten Glaubens wohl als Barbaren, denen gegenüber er nicht Wort zu halten brauchte. Nur wenige Seeleute, unter ihnen Drake und Hawkins, entkamen mit zwei schwer beschädigten Schiffen, mit denen sie die Britischen Inseln 1569 erreichten. Seitdem verschrieben sie sich der Seeräuberei gegen Spanien. Auch viele andere englische Seefahrer jener Zeit beteiligten sich künftig an den Kaperfahrten und führten den Schlachtruf 'Rache für San Juan' ein. Ein inoffizieller Kaperkrieg zwischen britischen und iberischen Schiffen begann.
Drake erhielt ein eigenes Kommando und fuhr nun als Freibeuter gegen Spanien. Er erkundete seit 1571 in einem recht kleinen Schiff die Landenge von Panama.
Von entlaufenen Sklaven, den Cimmarones, erhielt er Informationen, dank derer er zu einem aufsehenerregenden Schlag ausholen konnte: Ausgestattet vom Handelshaus Hawkins und mit der Hilfe französischer Korsaren und Marons4 überfiel er 1572/73 einen spanischen Schatztransport über den Isthmus. Die Beute hatte einen Wert von 40.000 Pfund.5 König Philipp II. von Spanien forderte Drakes Bestrafung, doch Königin Elisabeth I. von England ließ den Kapitän zu sich kommen, um ihn für eine neue, weit größere Unternehmung anzuheuern und zu finanzieren.

Die Weltumsegelung

Am 13. Dezember 1577 brach Drake mit fünf Schiffen und 160 Mann Besatzung von Plymouth auf. Er sollte vermutlich den sagenumwobenen und in der Vorstellung damaliger Zeit gigantischen Südkontinent Terra Australis erforschen, der auf der pazifischen Seite der Magellan-Straße vermutet wurde. Eine weitere Aufgabe soll die Suche nach der Straße von Anian
6, die man für den Ausgang der Nord-West-Passage hielt, gewesen sein.7 Auch ein Geschäftsbesuch auf den Molukken gehörte angeblich zu den Reisezielen.8 Außerdem wollte man Drake wohl weitab von den Spaniern wissen, zu denen sich die Beziehungen mehr und mehr verschlechterten, um keine Provokationen durch Drake zu riskieren. Alles in allem kann man jedoch vielleicht für keines der Ziele mit Sicherheit behaupten, dass es von Anfang an geplant war.
Drake segelte die afrikanische Küste entlang, passierte die Kapverdischen Inseln und ging für zwei Monate in Port San Julián vor Anker. Hier gelang es ihm, eine Meuterei, angestachelt durch den mitreisenden Höfling Thomas Doughty, im Keime zu ersticken.9 Jener wurde durch ein Schnellgericht abgeurteilt und enthauptet. Mit nur drei Schiffen setzte er seine Reise fort, da die beiden Lastenschiffe plangemäß zurückgelassen wurden.
Zum Abfahren der Magellan-Straße benötigten Drakes Schiffe 16 Tage, was für damalige Verhältnisse als ungewöhnlich schnell gewertet werden kann. Am Ausgang der Straße wurde die kleine Flotte 1578 von einem Sturm verstreut. Eins der Schiffe sank. Ein zweites kehrte um, nachdem es einen Monat lang nach den anderen gesucht hatte. Das dritte, die Pelican10 mit Drake an Bord, wurde nach Süden verschlagen. Dort kreuzte sie eine Weile, ohne Kap Hoorn allzu nahe zu kommen. Als Drake feststellte, dass die Magellan-Straße Südamerika nicht von einem weiteren Kontinent trennte, sondern nur von Feuerland und einigen anderen Inseln, und sich im Süden offene See anschloss, segelte er die chilenische Küste nach Norden.
Dort überfiel er die spanischen Städte Valparaiso und Callao. Man rechnete nicht mit feindlichen Schiffen aus Europa. Als nächstes wurde am 1. März 1579 eine mächtige Galeone aufgebracht, welche mit einem Jahresertrag der Südamerikanischen Gold-, Silber- und Edelsteinminen nach Panama unterwegs war. So erbeutete Drake kistenweise Edelmetalle im Werte von 600.000 Pfund.11
In der Gegend des heutigen San Francisco, die Drake New Albion nannte, ließ er ein Fort bauen und sein Schiff ausbessern. Mit diesem Fort beanspruchte er alle von Spaniern und Franzosen unbesetzten Teile Nordamerikas für England.
Den Auftrag, die Straße von Anian zu suchen, vernachlässigte Drake - möglicherweise, weil er ihn nicht ernst nahm - als er Ende Juli 1579 weiter nach Westen segelte, wo er nach zwei Monaten die Marianen erreichte. Er besuchte den Sultan von Ternate, mit dem er einen Handelsvertrag abschloss.12 Anschließend passierte Drake die Philippinen und steuerte die Molukken an, wo er Gewürznelken lud. Ein Teil der Ladung ging jedoch verloren, als die Golden Hind später auf ein Riff auflief. Die nächste Station war die Insel Jawa, von der er 1580 abfuhr. Im Juni des Jahres umsegelte Drake das Kap der Guten Hoffnung.
Am 26. September 1580 erreichte er den Heimathafen Plymouth und hatte somit - vermutlich ungeplant - die erste britische, und nach dem Portugiesen Magalhães13 die zweite Weltumsegelung überhaupt vollbracht. Außerdem brachte er reiche Beute von den spanischen Handelsschiffen mit, was Königin Elisabeth und seinen anderen eher heimlichen Förderern und Geldgebern einen mehr als 4.000-prozentigen Gewinn auf ihre Auslagen einbrachte.14
Für seine Verdienste wurde er von der Königin sogleich zum Ritter geschlagen und durfte sich fortan Sir Francis Drake nennen.

Die englisch-spanischen Beziehungen

Der seit 1570 währende Kaperkrieg zwischen britischen und iberischen Schiffen entwickelte sich Mitte der Achtziger des Jahrhunderts zu einem offenen Krieg zwischen den beiden Ländern.
Seit der Vereinigung Portugals und Spaniens trat Elisabeth I. immer offener der Vormachtstellung Philipps II. entgegen. Als eine führende Vertreterin der Reformation unterstützte sie die Rebellion in den Niederlanden und verwies 1584 den spanischen Botschafter des Landes.

Kriegsfahrten Drakes gegen die Spanier

In den Jahren 1585/86 führte Drake englische Kaperfahrten nach West-Indien. Danach nahm er die ersten Siedler von der Insel Roanoke vor dem heutigen North-Carolina mit zurück nach England. Man hatte dort 1585 versucht, eine britische, hundertköpfige Ansiedlung aufzubauen.
15 Aufgrund des drohenden Krieges mit Spanien resignierten die Siedler jedoch schnell.
1587 fügte Drake der spanischen Flotte bei einem Überfall auf Cadiz schwere Verluste in Gestalt von dreißig Schiffen zu. Auf diese Weise störte er den Aufbau der Armada, der, länger als von Spanien geplant, zwei Jahre benötigte. In Spanien erkannte man nun zum ersten Mal die Schwächen des Schiffstyps Galeere, unter anderem die Langsamkeit auf langen Strecken und eine vergleichsweise geringe Seetüchtigkeit.

Der Sieg über die Armada

Die legendäre spanische Flotte, die Armada wurde zu ihren Zeiten allgemein als unbesiegbar angesehen. Allerdings gab es schon damals Gegenstimmen, die die Chancen der englischen Flotte als gar nicht einmal so schlecht abwägten.
Es bedurfte wie erwähnt zweier Jahre, die Flotte aufzubauen. Die Taktik der englischen Königin beschränkte sich dabei wie so oft weitgehend auf das Abwarten und das Finanzieren von Kaperunternehmen, die den Aufbau der Flotte verhindern sollten.
Als die Armada schließlich im Mai 1588 Lissabon verließ, umfasste sie 130 Schiffe. Jedoch waren darunter nur 24 größere Kriegsschiffe, während der Rest aus bewaffneten Handelsschiffen, Versorgungsschiffen, Truppentransportern, Vorposten und kleinen Depeschenschiffen bestand.
16 Man plante eine Invasion Englands, da ein Seesieg ohne sonderliche Bedeutung gewesen wäre. Die erforderlichen Truppen hierfür wurden nur zum geringeren Teil von der Halbinsel aus verschifft. Der Großteil unter General Parma sollte in den Niederlanden aufgenommen werden.
Die Flotte Englands hingegen baute sich zwar ähnlich auf, bestand aber aus 197 Schiffen, war wendiger und an Tonnage und Feuerkraft überlegen, wenn auch schwächer bemannt.
Am 20. Juli kam die Armada vor Plymouth in Sicht. Zu dieser Zeit hatte sie bereits nur noch einen Umfang von 124 Schiffen. Flottenkommandant Herzog von Medina Sidonia - ein Administrator ohne Marineerfahrung - ließ die Flotte einen nach hinten offenen Halbmond formen, an dessen Flanken und Spitzen die stärksten Schiffe Segeln sollten, um die anderen schützen zu können. Obwohl man nur sehr langsam im Ärmelkanal vorankam und die Engländer immer wieder Angriffe unternahmen, hielt man die Formation aufrecht und erreichte fast vollständig nach sieben Tagen Calais, wo die Einschiffung der Landtruppen abgewartet werden sollte. Die Armada hatte jedoch einen Großteil des Vorrats an Kanonenkugeln verschossen.
Um die Flotte effektiv anzugreifen, hatten die Engländer in Dover sogenannte Brander vorbereitet: mit Pech gefüllte Boote, die man entzündet und auf feindliche Schiffe zutreiben lässt, damit sie Feuer fangen. Da Dover aber zu weit entfernt lag und man sich die Chance nicht entgehen lassen wollte, opferten Vizeadmiral Drake und sieben weitere Commodores je ein Kriegsschiff. Diese wurden in der Nacht zum 29. Juli in Brand gesetzt und auf die Armada zugesteuert. Die Pinassen, die in solchen Fällen die Brander ablenken sollten, waren mit den großen Schiffen überfordert. Sechs erreichten die Armada und stifteten Panik. Man flüchtete kopflos aufs offene Meer.
Weil die Rückfahrt nach Süden für die Flotte wegen Gegenwinds unmöglich schien, umsegelten die Spanier die Britischen Inseln, wobei man durch widriges Wetter mehr Verluste hinnehmen musste, als insgesamt zuvor durch die Engländer. Nur die Hälfte der Schiffe und ein Drittel der Besatzungen erreichten ihr Heimatland.

Beiderseitige buchstäbliche Rückschläge

Nach dem heroisierten Sieg über die Armada versuchte man in England, den Kriegsschauplatz zur iberischen Halbinsel zu verlegen.
Eine größere Flotte mit 11.000 eingeschifften Landsoldaten brach 1589 von Plymouth auf. Das nautische Kommando lag bei Drake, das militärische bei Sir John Norris. Wie auch die vielen Kaperunternehmen zuvor, so war diese Expedition ebenfalls privat finanziert und die Königin nur eine von mehreren Kapitalgebern.
17
Die Ziele waren die Zerstörung spanischer Teilflotten in der Biskaya, eine angebliche Revolution in Portugal zu unterstützen und natürlich große Beute zu machen. Keines der Ziele wurde erreicht.
Die Kommandanten erwiesen sich als ungeeignet, einen größeren Flottenverband zu führen, und gingen lieber Eigeninteressen nach. So verschwand zum Beispiel ein Schiff unter einem Kapitän Williams für Tage aus dem Einzugsbereich der Flotte.
Doch damit nicht genug. Zahlreiche Seeleute soffen sich zu Tode. Eine portugiesische Revolution gab es nicht. Und als einzige Beute wurden ein paar Handelsschiffe der unbeteiligten Hanse aufgebracht, die keine großen Kostbarkeiten transportierten.
Auch andere Unternehmungen verliefen überwiegend erfolglos, so dass der Wiederaufbau der Armada weitgehend ungehindert vollzogen werden konnte. Der zweite Angriff der Armada auf die Britischen Inseln wurde nicht etwa durch die Engländer vereitelt, sondern von stürmischem Wetter, das die Armada noch vor Erreichen des Ärmelkanals zum Umkehren zwang.

Drakes letzte Fahrten

Den letzten Unternehmungen mit Hawkins war kein Glück beschieden, was in England schon im Voraus mancher befürchtete. So war die geplante Expedition nach Panama im Jahre 1595 von Anfang an umstritten. Die Königin fühlte sich zwischen Hoffnungen und Befürchtungen hin- und hergerissen und warf Drake und Hawkins schlechte Planung vor. Deshalb und wegen ungünstiger Windverhältnisse musste die Flotte Drakes und Hawkins' wochenlang in Plymouth warten, bevor sie auslaufen konnte.
Philipp II. hatte aus Drakes frühen Überfällen auf spanische Städte in Amerika gelernt und sie erheblich in ihren Festungsanlagen verstärken lassen. So wurden Drake und Hawkins nach erfolglosen Angriffen auf Panama, Puerto Rico, Cartagena und Porto Bello
18 immer wieder vertrieben. Drake erkrankte und starb am 28.1.1596 als Admiral in der Bucht von Porto Bello, sein Vetter und viele weitere Expeditionsteilnehmer folgten ihm.
Die Reste der Flotte erreichten England nur unter Mühen und zwei Monate später, als geplant. Zu Drakes Seebestattung wurden zwei erbeutete Schiffe an das Admiralsschiff verbracht und unter Salutschüssen verbrannt.

Fazit

Sir Francis Drake war der wohl berühmteste Seefahrer und Nationalheld des elisabethanischen Zeitalters. Sicher nicht zu unrecht, wenn man seine nautischen Leistungen betrachtet und verfolgt, wo er überall gewesen ist. So wurde die Meerenge zwischen Kap Hoorn und der Antarktis nach ihm benannt, da er sie als erster durchfuhr.
Drake wurde zu einem der gefährlichsten und erbittertsten Gegner Spaniens. Grund hierfür muss vor allem der Verrat von San Juan 1567 gewesen sein.
Obwohl sein Schiff, die Golden Hind, kein eigentliches Kriegsschiff war - zu ihrer Bestückung zählten lediglich 18 Kanonen
19 - konnte er anfangs doch erhebliche Erfolge gegen seinen Erzfeind Spanien erringen. Er sah ein Schiff als eine Kampfeinheit an, nicht bloß als einen Transporter von Landtruppen. Schon dies brachte ihm einen taktischen Vorteil gegenüber den Spaniern.
Allerdings fiel es ihm - ebenso wie den meisten anderen englischen Kapitänen auch - schwer, eine größere Flotte zu befehligen. Er war dazu zu sehr ein Eigenbrötler und Abenteurer. Wer seine Pläne störte, hatte keinen leichten Stand. So ließ er an der Küste Patagoniens einen freiwillig mitgefahrenen Adligen aufhängen, der wohl für Unruhe an Bord gesorgt hatte.20
Auch die Anerkennung der Königin konnte Drake nicht von seinen Eskapaden abbringen - ebensowenig wie ihre Drohungen und Schelten. Letztlich war sie doch nur eine Kapitalgeberin seiner Kaperfahrten unter vielen. Umgekehrt war sie auf ihn und seinesgleichen in Ermangelung einer stehenden englischen Kriegsflotte angewiesen. Zu dem Gerücht, die beiden hätten ein Verhältnis miteinander gehabt, geben die Quellen leider keine Auskunft, doch ging für Elisabeth sicherlich eine gewisse Faszination von Drake aus. Sie waren wie Verbündete gegen den gemeinsamen Feind Spanien.
Als Drake starb, hatte der Niedergang spanischer Macht bereits begonnen.

Drei Briefe der Königin Elisabeth I. an Sir Francis Drake

Es handelt sich um eine Auswahl ins Deutsche übertragener Schriftstücke der englischen Königin (geboren 1533, Regierungszeit 1558-1603) an Drake und andere Kapitäne.
21

1) An Sir John Norris und Sir Francis Drake, vom 4.5.1589

Der Brief bezieht sich auf des Kapitäns Sir Roger Williams eigenmächtiges Entfernen von der Flotte und das unerlaubte Verlassen des königlichen Hofes durch Robert Deveraux, Graf von Essex.
Das Schreiben beginnt auffallend höflich und freundlich. Erst nach einigen ausweichenden Umschweifen, in denen Elisabeth nur scheinbar Drakes und Norris' Treue und Wohlverhalten voraussetzt, gelangt sie zu den eigentlichen Anweisungen an ihre Kapitäne. In ihnen werden ihre Befürchtungen offenbar, Drake und Norris könnten zu nachsichtig gegenüber Williams und Essex handeln. Sie beginnt zu drohen und erteilt Norris und Drake eine Schelte für ihre Unachtsamkeit, dass Williams mit seinem Schiff hinter der Flotte zurückbleiben und verschwinden konnte. Norris und Drake sollen Williams gefangensetzen, ebenso Essex, falls er ihnen begegnen sollte. Der Brief wird mit weiteren Drohungen abgeschlossen.
Die Quelle sagt nichts über Sir Williams' Absichten. Es könnte sich um ein Versehen handeln, das sein Schiff von der Flotte abbrachte. Jedenfalls ist bekannt, dass er nicht hingerichtet wurde. Ihm wurde verziehen, und zwei Jahre später vertraute ihm Elisabeth sogar den Oberbefehl eines kleinen Expeditionsheeres an.
Gleiches gilt für Essex, der sich im April gegen ihren Befehl vom Hofe entfernt hatte. Über seine Absichten gibt der Brief ebenfalls keine Auskunft. Auch Essex wurde verziehen, als er von sich aus zurückkehrte.
Besonders auffällig ist der Stil des Briefes. Nach den erwähnten Schmeicheleien an ihre Kapitäne versucht sich die Königin mit Hilfe von Drohungen ihres Gehorsams zu versichern. Dabei überlässt sie es der Phantasie des Lesers, welche Konsequenzen ein Fehlverhalten nach sich ziehen mag und spricht lediglich von 'höchster Gefahr' und ähnlichem. Der Brief endet mit den Worten: 'Deshalb überlegt genau, was Ihr tut!'

2) An Sir Francis Drake und Sir John Hawkins, vom 1.8.1595

Das Schreiben betrifft die geplante, ohnehin allgemein umstrittene Expedition nach Panama, die außerdem soeben durch ungünstige Winde hinausgezögert wird. Die endgültige Entscheidung scheint noch nicht getroffen zu sein.
Obwohl Elisabeth nicht wohl bei der Sache ist, stimmt sie der Expedition doch zu. Sie überschüttet die Adressaten mit Lob, das wohl besonders an Drake gerichtet ist. Auch kommt ihre Angst zum Ausdruck, es könnte Drake, Hawkins oder Sir Thomas Baskerville, der die Infanterietruppen befehligt, etwas zustoßen. Ob sich diese Angst besonders auf Drake bezieht, kann nicht festgestellt werden.

3) An Sir Francis Drake und Sir John Hawkins, vom 16.8.1595

Es herrschen immer noch widrige Winde, die das Auslaufen der Flotte verhindern. Der Brief ist eine Antwort auf ein Schreiben der Kapitäne vom 11. August.
Elisabeth wird ungeduldig, ist nervös, besorgt und unentschlossen. Das abwartende Verhalten Drakes und Hawkins' erbost sie. Unzufrieden mit den im Brief vom 11. gemachten, ungenauen und ausweichenden Angaben über die Dauer der Panama-Expedition, fühlt sie sich schlecht unterrichtet und von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen. Außerdem wurde zu dem Gutachten über die Expeditionsdauer, das sie den Kapitänen sandte, nicht Stellung bezogen. Eine Beleidigung, die für sie in Wirklichkeit aber nicht so schwer zu wiegen scheint, wie die Angst um die Kapitäne und die Furcht vor den entstehenden Kosten der Expedition. Letzteres äußert sich in der Forderung, die Mannschaften sollten entlassen werden, wenn nicht bald ausgelaufen würde.
Die Königin wiederholt sich wegen ihrer Angst und der Kränkung ständig. Dabei beschwört sie mehrmals 'von Gott gesandte Winde', beschwert sich immer wieder, dass ihr keine Antwort gegeben wurde, und klammert sich an den sieben Monaten Expeditionsdauer aus dem Gutachten fest.
Drake und Hawkins überlebten die Expedition nicht. Als sie nach neun Monaten endete, waren viele Teilnehmer durch Krankheit hinweggerafft.

Abschließende, allgemeine Bemerkungen zu den Briefen

In ihren Briefen verfolgt Elisabeth I. immer einen ähnlichen Aufbau. Zuerst kommen Lob und Schmeicheleien, mit denen sie um ihr eigentliches Anliegen herumredet, dann folgen Befehle unter Drohungen für den Fall ihrer Nichtachtung. Es hat den Anschein, als nähme sie sich jedes Mal vor, den Empfänger nicht zu erschrecken und seine Aufmerksamkeit zu erregen, dann aber geht es mit ihr durch, wenn sie sich ihrer Majestät bewusst wird, die keinen Widerspruch duldet. An manchen Stellen kommt man sich vor, als wohne man ihrem Diktat bei und höre ihre Worte, so lebendig sind die Briefe.
Elisabeth fühlt sich schnell übergangen oder gar bedroht. Dies erklärt sich nicht zuletzt aus Erlebnissen in ihrer Jugend, in der sie des öfteren Verfolgungen durch ihre königliche Verwandtschaft und deren Anhänger ausgesetzt war. Wegen ihrer Mutter Anna Boleyn, der man eine blutschänderische Beziehung mit ihrem Bruder nachsagte, wurde Elisabeth von den Katholiken nicht als legitime Tochter und Nachfolgerin Heinrichs VIII. anerkannt. Als Vorkämpferin des Protestantismus in Europa blieb sie Zeit ihres Lebens der katholischen Welt ein Dorn im Auge.


Quellen

Die Briefe der Königin Elisabeth von England 1533-1603, Hrsg. G. B. Harrison, Übersetzung Hans Reisiger, 1938 Wien

Literatur

Basil Davidson: Vom Sklavenhandel zur Kolonialisierung; Hamburg 1966
Horst Gründer: Welteroberung und Christentum; Gütersloh 1992
J. H. Parry: Zeitalter der Entdeckungen; Zürich 1963
Wolfgang Reinhard: Geschichte der europäischen Expansion, Bd. I: Die alte Welt bis 1818; Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1983
Ulrich Suerbaum: Das elisabethanische Zeitalter; Stuttgart 1989
Die Großen der Weltgeschichte, Bde. IV (Boccacio-Palladio) und XII (Register); Zürich 1974 und 1979
Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion, Bd. II: Die großen Entdeckungen; Hrsg. Eberhard Schmitt; München 1984

Fußnoten

1 Ein Teil der Literatur gibt als mögliche Geburtsjahre 1540-45 an.
2 Namentlich die Salomon, die Swallow und die Jonas. (Davidson, S. 56)
3 vgl. Davidson, S. 80 f
4 Abkömmlinge entflohener Sklaven und indianischer Frauen.
5 Große der Weltgeschichte, Bd. XII, S. 389
6 Die heutige Beringstraße.
7 vgl. Schmitt, S. 274
8 vgl. Parry, S. 387
9 ebenda
10 Die Pelican wurde bald darauf von Drake in Golden Hind (Goldene Hirschkuh) umbenannt.
11 vgl. Reinhard, S. 130
12 ebenda
13 Fernão de Magalhães, dt. Magellan, span. Magallanes
14 vgl. Suerbaum, S. 209
15 Parry, S. 421
16 vgl. Suerbaum, S. 214 f
17 vgl. Suerbaum, S. 236
18 Erscheint auch als Puerto Bello und Portobelo.
19 vgl. Parry, S. 240
20 vgl. Parry, S. 245
21 aus: Die Briefe der Königin Elisabeth von England 1533-1603
Übersicht

© OHH Oktober 1993, kleine Korrekturen 2004/2012/2013Elf und Adler Verlag

Diese Arbeit ist auch als Buch und E-Buch im Grin-Verlag erschienen.