Plutarchos

Perikles 14-16

14) Als Thukydides und die Redner seiner Partei Perikles verschrien, er verschleudere das Staatsvermögen und zerrütte die Finanzen, richtete er in einer Versammlung die Frage an das Volk, ob es die Ausgaben hoch finde.
"Ja", lautete die Antwort, "außerordentlich hoch."
"Nun gut", erwiderte Perikles, "so sollen die Kosten nicht auf euch fallen, sondern auf mich, und auf die Bauten werde ich meinen eigenen Namen setzen lassen!"
Nach diesen Worten erhob die Menge ein lautes Geschrei, er solle das Geld aus dem Staatsschatz nehmen, unbedenklich und ohne zu sparen. So riefen ihm die Bürger zu, vielleicht aus Bewunderung für seinen edlen Stolz, vielleicht aber auch aus dem ehrgeizigen Verlangen, selber teilzuhaben am Ruhm dieser Werke.
Schließlich kam es so weit, dass das Scherbengericht zwischen Thukydides und Perikles entscheiden musste. Perikles ging als Sieger aus dem Kampf hervor, trieb den Gegner in die Verbannung und löste seine Partei auf.
15) Damit hatte der Bürgerzwist sein Ende gefunden, und die Stadt war zu Ruhe und Eintracht zurückgekehrt. Jetzt aber nahm Perikles Athen samt allem, was zum Staat der Athener gehörte in seine Hände: die Einkünfte, das Heer und die Fiotte, die Inseln und das Meer, das Reich, welches Griechen wie Barbaren weithin umfasste, und die durch Untertanenvölker, befreundete Könige und verbündete Fürsten wohlgesicherte Herrschaft. Allein, von diesem Augenblick an war er nicht mehr derselbe, er war nicht mehr so schnell bereit, sich dem Willen der Masse zu fügen und ihren Launen nachzugeben wie ein Schiff dem Winde, sondern wandte sich von der schwächlichen, in manchen Stücken gar zu nachgiebigen Art der Volksführung ab wie von einer allzu weichen und zärtlichen Melodie und zog die Saiten an zu einem aristokratischen und königlichen Regiment. Und da er in seiner Politik mit unbeugsamer Festigkeit dem Wohl des Staates diente, vermochte er das Volk zumeist ohne Widerstand durch die überzeugende und belehrende Kraft seines Wortes zu lenken. Zuzeiten allerdings bekam er auch den Zorn der Masse zu spüren; dann zog er die Zügel an und scheute sich nicht, sie zu dem zu zwingen, was not tat, nicht anders als ein Arzt, der bei einer schweren, langwierigen Krankheit bald ein unschuldiges Vergnügen erlaubt, bald scharfe Mittel und bittere Arzneien anwendet, um den Patienten zu heilen. Denn es konnte ja nicht anders sein, als dass in einem Volk, dem solche Macht in die Hände gegeben war, die verschiedenartigsten Leidenschaften ausbrachen, und Perikles allein war imstande in jedem Falle die richtige Art der Behandlung zu finden. Er brauchte dazu vor allem die Furcht und die Hoffnung, die für ihn gleichsam die Steuerruder waren, wenn es galt, den trotzigen Übermut des Volkes zu dämpfen oder es in seiner Niedergeschlagenheit aufzurichten und zu trösten. Dadurch erbrachte er den Beweis, dass die Redekunst, wie Platon sagt, Seelenführung ist und dass ihre vornehmste Aufgabe darin besteht, auf die Gemütszustände und Leidenschaften einzuwirken, denn diese sind wie klingende Saiten der Seele, die man in richtiger Weise greifen und schlagen muss. Perikles' Überlegenheit gründete aber nicht nur auf der Gewalt seiner Rede. sondern ebensosehr, wie Thukydides sagt, auf dem Ansehen und dem Vertrauen, das er sich durch seine Lebensführung erwarb. Es sahen ja alle mit eigenen Augen, wie sehr er Bestechlichkeit und Habsucht verabscheute. Er hatte Athen aus einer großen zur größten und reichsten Stadt gemacht, er verfügte über größere Macht als viele Könige und Fürsten, deren einige ihn sogar zum Vormund ihrer Söhne bestimmten und dennoch vermehrte er das von seinem Vater ererbte Vermögen nicht um eine einzige Drachme.
16) Während indes Thukydides die Machtstellung des Perikles in klarer, zuverlässiger Weise schildert, geben die Komödiendichter davon ein boshaft verzerrtes Bild. So nannten sie ihn und seine Anhänger die neuen Peisistratiden und forderten ihn auf, durch einen Eid allen Absichten auf die Tyrannis zu entsagen. Seine überragende Stellung vertrage sich nicht mit der Demokratie und liege als schwere Last auf der Stadt.
Die Athener, sagt Telekleides, übergaben ihm 'Die Steuern der Städte und die Städte dazu, sie zu binden oder zu lösen, die steinernen Mauern, teils, sie zu erbaun, dann wieder, sie niederzureißen, Verträge und Frieden und Macht und Gewalt mitsamt dem Glück und dem Reichtum.'
Und dies war nicht etwa ein flüchtiger Augenblick, nicht der glanzvolle Höhepunkt einer für kurze Zeit blühenden Regierung, nein, vierzig Jahre lang behauptete er sich unter Männern wie Ephialtes, Leokrates, Myronides, Kimon, Tolmides und Thukydides an der Spitze des Staates, und nach des letzteren Sturz und Verbannung blieb er als Stratege fünfzehn Jahre hindurch ununterbrochen im Besitz der höchsten Macht und Gewalt, obwohl dieses Amt sonst jährlich wechselte.


Quellenliste