Ausschnitt aus

Gefahr für Asgard

von Oliver H. Herde

Im sa-utischen Hafen legten drei Schiffe aus Sidon an. Arrog war der erste, der von Bord ging - oder vielmehr eilte.
Rex hastete hinterher und rief: »Warte! Wenn Bolaro dich sieht!«
Aber Arrog blieb erst stehen, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Das allerdings tat er so abrupt, dass Rex nicht mehr genügend bremsen konnte und Arrog von hinten anrempelte.
»Großartig«, schimpfte Rex. »Auffälliger könnten wir uns kaum benehmen.«
»Nicht so laut!« zischte Arrog zurück. »Die Leute gucken ja schon!«
In der Tat waren einige Kemeter stehengeblieben, um zu sehen, was diese närrischen Ausländer da wohl trieben.
»Also, wir machen Folgendes«, begann Arrog, den albernen Vorfall ebenso wie die gaffende Menge ignorierend. »Larissa und Lobo Lan prüfen nach, wohin Peno Bolaro und seine Mannen sich jetzt verkriechen, du und Ron kümmert euch um unser Gepäck...«
»Vielen Dank«, warf Rex höhnend ein.
»... und ich unterrichte Asgard und unsere hiesigen Agenten von unserer Ankunft. Danach mische ich mich ein bisschen unters Volk, was ihr nachher auch tun solltet. Vielleicht ist R‘orrett in Sa-u. Würde mich nicht wundern, wenn er versuchte, der nächste Per’o von Kemet zu werden.«
»Du kennst ihn von früher, nicht wahr, Arrog?« Rex zog ein teilnahmsvolles Gesicht. Arrog seufzte tief auf. »Allerdings! Ich war während des Zweiten Skorpkriegs Junker unter ihm.«
Bei Rex fiel der Groschen sofort. Während der Vorstellung R‘orretts im Sitzungssaal des UNIKONS hatte Professor Prolax einen Junker erwähnt.
Plötzlich zog ein zerlumpter Kerl mit Augenklappe an Arrogs Ärmel. »Milde Gabe, chocher Cherr, für alten Veteranen,« jammerte er in unsicherem Hellenisch.
»Hau ab, Krücke«, entgegnete Arrog knapp und trocken, schüttelte den Schmutzfink ab und versuchte, das Gespräch wieder aufzunehmen: »Wo waren wir?«
Doch der Bettler bohrte weiter und hängte sich wieder an Arrogs Arm. »Zeigt etwas wenig Mitleid mit ausgedienter Soldate, chocher Cherr!«
»Zeig mir einen ausgedienten Soldaten«, antwortete Arrog hämisch.
»Aber Cherr, wie Ihr meint das?«
Der Bettler gab sich erschrocken, doch Arrog durchschaute ihn. »Du hast doch noch nie gekämpft«, behauptete er und riss dem kleinen Mann die Klappe vom Auge. Der erst so höflich bittende Bettler verfiel auf einmal in ein solch vulgäres Gossenkemetisch, dass Arrog Schwierigkeiten bekam, ihn auch nur ansatzweise zu verstehen.
»Wie ich sagte«, meinte der Ase jedoch schließlich unbeeindruckt. »Dein Auge ist vollkommen in Ordnung.«
»Ein Wunder! Ein Wunder ist verschehen!« rief der Mann lauthals, in der Absicht, seine Tarnung auf diese absurde Weise aufrecht zu erhalten.
Rex sah sich gezwungen, sofort einzugreifen, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen: »Du spielst deine Rolle gut. Doch genug ist genug. Nimm das und verschwinde, oder...« Er gab dem schmierigen Kerl eine Kupfermünze, woraufhin dieser sich hastig verbeugte und dann sofort davonmachte.
»Bist du vollkommen überge...« setzte Arrog empört an.
»Führ’ dich nicht auf, wie ein Elf«, unterbrach ihn Rex. »Was sagtest du gerade?«
Arrog versuchte vergeblich, sich darauf zu konzentrieren, worüber sie sich vorhin als letztes unterhalten hatten, denn noch ärgerte er sich zu sehr über die ungerechtfertigte Belohnung, die Rex diesem kleinen Ekelpaket hatte zukommen lassen. Und dann noch dieser kränkende Vergleich mit einem Elfen!
»Krieg ich nicht mehr zusammen«, gestand Arrog schließlich und kratzte sich am Hals unter dem seit Tagen nicht rasierten Kinn mit der Narbe. »Wie dem auch sei... Gib den anderen Bescheid!«
Rex zuckte mit den Achseln und wandte sich ab, um zu gehen.
»Halt, warte«, stoppte ihn Arrog. »Ich hab‘s mir anders überlegt. Ich gehe mit Larissa und Lobo Lan.«
Rex stieg wieder an Bord und schickte das dunkelhäutige Paar zum Kapitän.
Zu dritt wagten diese sich bis auf Sichtweite an jenes Schiff heran, das Peno Bolaro und seine Truppe soeben verließen.
Vorneweg gingen Bolaro und Relltieh, hinter ihnen folgte ein ungeordneter Haufen kampflustiger Syrer und Israelis.
»Zweiundzwanzig«, zischte Larissa unangenehm überrascht. »Es sind zweiundzwanzig geworden.«
Arrog brummte unwillig. »Offensichtlich hat Bolaro während der Zwischenhalte noch drei Männer anwerben können. Doch das ändert nichts. Lasst uns ihnen folgen!«

Gefahr für Asgard ist als Taschenbuch und als E-Buch erschienen.


Kurzgeschichten / Projekt Caniron

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