Aus dem Schuppen neben der Burg erklangen fröhliche Stimmen und der Sang einer Bardin, welchletzterer Feledrion hineinzugehen verlockte. Der Verschlag erwies sich als andergastsche Ausgabe einer Taverne mit Tischen, Bänken und gar einer Theke. Allerdings missverstand der Elf die Ärmlichkeit, in welcher diese Bretterbude zusammengezimmert war, auf dass der Wind durch alle Fugen und Ritzen blies, als erhöhte Naturverbundenheit der Eingeborenen.
Dessen ungeachtet tat er, wozu er gekommen war, setzte sich in der Nähe der Bardin nieder und lauschte.
Ein Weiß und Rot tragender Mann, den Feledrion für einen Ritter hielt, suchte ein kurzweiliges Gespräch mit ihm, indem er ihn fragte, wo er herkäme.
»Aus einem Orte namens Ebelried, am Fuße der Drachensteine«, erwiderte der Elf wahrheitsgemäß, auch wenn der Mensch seine Frage wohl anders gemeint hatte.
»Tatsächlich? Man erzählte mir von einem Lied, das auf dem dortigen Turnier vor ein paar Wochen ein Elf über eine Sharisad gesungen haben soll. Kennt Ihr es zufällig?«
Ungläubig zog Feledrion seine Brauen empor. Das war in der Tat einmal etwas, das ihn noch zu verwundern vermochte! »Nun, ich bin jener Elf.«
»Ja,, wenn dem so ist, würde ich es gerne hören!« erwiderte der Recke.
Feledrion konnte es noch gar nicht recht fassen, dass man bis hierhin von seinem Vortrage gehört haben sollte. Die Aufforderung überrumpelte ihn um so mehr. »Also gut, ich...«
Plötzlich spürte er seinen trockenen Hals und räusperte sich. An die Bäuerin gerichtet, welche neben ihm saß, fragte er: »Könnte ich wohl einen kleinen Schluck...?« Er wartete kaum auf eine Antwort, führte seine Hand bereits in Richtung ihres Glases.
»Ein Elf, der Wein trinkt?«
»Wein? Nunja, nur ein Schlückchen zum Befeuchten meiner Kehle.« Obwohl sie ihm noch keine Erlaubnis erteilt hatte, schien sie ihm inzwischen doch hinreichend Gelegenheit zum Wiederspruche gehabt zu haben. Immerhin nippte er sehr bescheiden daran. Da setzte ihm der wohlmeinende Wirt einen Humpen Bier vor.
»Danke, ich...« versuchte Feledrion abzuwehren, doch dann wagte er nicht die nette Geste auszuschlagen und nahm auch hiervon einen Schluck.
Schließlich besann er sich kurz, erklärte noch, die Verse stammten von einem Freunde, dann hob er an, zu singen. Jedoch verwirrten ihn die Gespräche an den anderen Tischen ein wenig, ebenso die scheinbar geringe Konzentration der Zuhörer an diesem. Und sicher taten auch Wein und Bier bereits ihr Übriges, so wenig er auch davon zu sich genommen haben mochte. Schon beim ersten Refrain verhaspelte er sich etwas.
Dennoch erkannte er im Folgenden, die Menschen hier reagierten wohl nur aufgrund einer anderen Mentalität auf andere Weise als in Ebelried. Nichtsdestoweniger gefiel es ihnen. So vollendete er seinen Vortrag
»Das ist aber ein trauriges Lied«, meinte die Bäuerin.
»Traurig und humorvoll zugleich«, erwiderte Feledrion. »So ist es die Art meines Freundes Atreo: Mit Scherzen sucht er über erlittenen Schmerz hinwegzutäuschen.« Und im Geiste fügte er bekümmert hinzu: 'Ein ewiger Meister der Verdrängung.'
Die Runde schwieg einen Moment lang betroffen, dann begann die Bardin ein neues Lied.
Später kam auch Draknuh in die Taverne.
»Möchtest du ein Bier?« fragte ihn Feledrion schon zur Begrüßung. »Der Wirt hat es mir spendiert, aber ich trinke doch gar kein Bier.«
»Ich auch nicht.«
Ach ja! Draknuh war ja tot! Seltsam, daß Feledrion das immer wieder vergaß! Irgendwann mußte er ihn doch einmal fragen, woher er seine Energie bezog...
Den Dunklen beschäftigte derweil das soeben erlebte Treffen der ODL. Teils belustigt, teils verwirrt, berichtete er Feledrion in Auszügen darüber. Jener jedoch verstand nicht allzu viel von den innerpolitischen Streitereien eines Magierverbundes. Seine Schwester Schannaha hätte gewiss mehr damit anfangen können.
Ein seltsamer Geruch mischte sich zwischen jenes bunte Gemisch in der Taverne. Bevor Feledrion ihn aber recht bewusst wahrnahm, gab es ein Geräusch an der Rückwand des Schuppens. Höhnende Stimmen erschallten. Orks! Doch konnten es wohl nur eine Handvoll sein, und noch zeigten sie keine offene Aggression. Also blieben Feledrion und Draknuh wenig gerührt sitzen.
Andere Gäste hatten die Beobachter noch nicht einmal bemerkt. Es dauerte ein Weilchen, bis sich ein paar Menschen aufgerufen fühlten, die polternden Orken zu verscheuchen.
Als kurz darauf Zori auftauchte wurde er wenigstens noch sein Bier los.
Tief in der Nacht bettete sich Feledrion im Schlafsaale der Burg zu Anderstein nieder. Von rechts spürte er mit einem Male eine Aura, welche er nicht gut, aber doch kannte. Eine einprägsame, wunderliche Aura der Leblosigkeit, ähnlich der Draknuhs. Die Magierin und Halbelfe, die er bei Ebelried auf eine falsche Fährte gelockt hatte! So eine Überraschung!
Er drehte sich um, suchte zu schlafen, doch das Lager erwies sich als härter als wurzeldurchsetzter Waldboden. Sollte er draußen nächtigen? Besser nicht mit den Orks als Nachbarn! Dies Gemäuer würde ihn nicht lang beherbergen müssen! Gleich morgen früh würde er nach Engasal weiterreisen.
Doch sollte der Entschluss sogleich ins Wanken geraten: Etwas weiteres Fremdes, Unnatürliches tauchte im Saal auf. Drei schillernde Erscheinungen schwebten von Schlafstatt zu Schlafstatt. Allerdings vermochte der Spuk niemanden der Weitgereisten so recht zu erschrecken. Während Feledrion verwundert registrierte, daß einer der Geister, der soeben neben ihm waberte, die Lippen bewegte.
Die hartgesottenen - und müden! - Magistri jedoch wollten ihren Schlaf. Rechts rief die Halbelfin genervt: »Silentium!«, der Magier zur Linken schleuderte eine »Dunkelheit!«
Damit waren die Gespenster ihrer optischen wie akustischen Wirkung beraubt, und es kehrte wieder Ruhe ein im Saale der Furchtlosen und Heldenhaften...
Weiter am nächsten Tag