Der Waffenlieferant (1)

von Karim Iratni und Oliver H. Herde

Nach den überraschenden Ereignissen in Elenvina begab ich mich unverzüglich nach Norden. Informanten hatten mir den Hinweis gegeben, dass ich hier in dem mit einem Geheimauftrag nach Kyndoch entsandten Ritter der Krone Bohemund vom Berg-Sturmfels einen Verbündeten finden könnte. Und es lag ohnehin auf dem Weg meiner nächsten beiden Ziele.

"Ihr wolltet mich sprechen?" Deutlich klang der nordmärkische Akzent in der Stimme des recht unritterlich aussehenden Endzwanzigers. Eine Spur zu klein, von hagerer Gestalt, die Mundwinkel im schmalen Gesicht stetig ein wenig nach unten gezogen. Wäre da nicht das Langschwert an seiner Seite gewesen, hätte wohl auch die einfache Tunika kaum Aufschluss über die Profession des Mannes mit der schwarzen Augenklappe über dem linken Auge und den auf die Schultern fallenden Goldlocken gegeben.
Etwas misstrauisch musterte ein wässrigblaues Auge mich, das Gegenüber, auf welches der Herbergsvater Bohemund aufmerksam gemacht hatte. Der Ritter war in einem einfachen Haus abgestiegen, und so war es nicht ganz einfach gewesen, ihn ausfindig zu machen. Höflich aber kühl hatte Bohemund auf einen Tisch im Eck des Schankraumes gewiesen, wo man sich ungestört unterhalten konnte. Nun winkte er den Wirt heran, um Wein zu bestellen.
"Mja", entgegnete ich und rückte mich noch einmal auf dem Stuhl zurecht. Mit Mitte Fünfzig ist man eben doch nicht mehr ganz so beweglich wie einst. Ich beugte mich dann über den Tisch vor, um nicht laut werden zu müssen. Dabei stützte ich mich auf die Ellenbogen, die Rechte über dem stoffverkleideten Stumpf, an dem die Linke schon so lange fehlt.
"Von den Ereignissen in Elenvina habt Ihr gewiss bereits hinreichend gehört. Es war mir vergönnt, unter Invhers Mannen schwurlos den Thronsaal zu verlassen. Nun möchte ich etwas für meine alte Heimat tun und mich dort wieder einführen, da mich wohl niemand mehr kennen dürfte. Ich dachte an eine aus meiner Tasche bezahlte Hilfslieferung." Verschwörerisch senkte ich mein von grauschwarzen Haaren umwalltes Haupt ebenso wie die Stimme: "Waffen. Man sagte mir, Ihr könntet mir da etwas vermitteln."
"Ein nobles Ansinnen", antwortete der Ritter nach kurzem Nachdenken zunächst ebenso knapp wie unverbindlich, das gesunde Auge dabei leicht zusammengekniffen, als suche er die Falle, die böse Absicht in meinem Antlitz. "Sicherlich werdet Ihr verstehen", fuhr er sodann fort, "dass ich mich, ohne Euch damit beleidigen zu wollen, zunächst davon überzeugen muss, dass Ihr auch tatsächlich auf albernischer Seite steht, und nicht etwa im Solde der Nordmarken."
So folgten einige Fragen über albernische Kongressteilnehmer, die kaum jemand wissen konnte, der die nämlichen Personen nicht zumindest besser kennengelernt hatte, als dies beim Austausch bloßer Höflichkeitsfloskeln möglich gewesen wäre.
Als Bohemund schließlich überzeugt schien, dass ich kein falsches Spiel trieb, nickte er zufrieden, freilich ohne dass die reservierte Maske seines hageren Gesichts sich auch nur eine Spur aufhellen würde. "Gut", sprach er mit ebenfalls leicht herabgesenkter Stimme. "Sicherlich ließe sich in dieser Hinsicht etwas in die Wege leiten. Die Mehrheit der Kyndocher, sowie Teile der hiesigen Obrigkeit sympathisieren mit der albernischen Sache. Und die meisten derjenigen, die das nicht tun, sympathisieren zumindest mit Klang und Glanz von Gold. Dennoch gilt es sich zu beeilen, denn niemand weiß, welches die nächsten Schritte des Herrn vom Großen Fluss sein werden. Und welche Auswirkungen das dann auf Kyndoch hat.
Insofern muss ich die indiskrete Frage stellen, wie rasch es Euch möglich wäre, die entsprechende Summe aufzutreiben. Und es wird einer köstlichen Summe bedürfen, denn der bevorstehende Krieg treibt die Preise in die Höhe..."
Wieder einmal musste ich erkennen, wie schlecht ich vorbereitet war, doch so ist das nun einmal bei Entscheidungen aus dem Bauche heraus! "Ich muss gestehen, ich habe nur zwanzig oder dreißig Dukaten bar dabei. Dass es so eilig sein würde, war mir nicht recht klar. Ich müsste erst nach..." Mein späteres Reiseziel konnte ich schlecht erwähnen! "Also, es würde wohl ein paar Wochen dauern, größere Summen aufzutreiben." "Wochen, guter Herr?" fragte Ritter Bohemund mit gehobenen Augenbrauen. "Ich fürcht', uns und Euch und Albernia bleiben keine Wochen. Der Herr vom Großen Fluss hat bereits vor dem Reichskongress mit gewissen... Vorbereitungen begonnen. Und auch Isora von Elenvina rüstet seit geraumer Zeit ein Heer von Söldnern, um..." Die Unterbrechung seiner Rede kam recht plötzlich, und ebenso plötzlich umspielte ein feines Lächeln seine dünnen Lippen. Es war kein schönes, kein freundliches Lächeln.
"Ihr habt mich da auf eine Idee gebracht", erklärte er dann und neigt sich mir wieder etwas entgegen. "Wir werden die Kaufleute mit Schuldscheinen bezahlen. Mit Schuldscheinen, die ebenso großzügig verzinst sind, wie sie falsch sind. Und wir werden sie auf den Namen... Isora von Elenvina ausstellen. Einzulösen nach dem zu erwartenden Sieg über die Albernischen Rebellen...
Ihr versteht Euch nicht zufällig auf das Fälschen von Dokumente...?"
Auch mein Antlitz zeugte inzwischen sicherlich von Vergnügen. "Ein trefflicher Einfall! Tatsächlich könnte ich etwas fabrizieren, doch ein professioneller Künstler wird sich besser mit den notwendigen Floskeln und Siegeln und alledem auskennen. So jemand wird sicher nicht allzu schwer aufzutreiben sein. Des weiteren ein paar Mietlinge für den Transport, den ich selbst begleiten werde."
Mit den Fingern kämmte ich mir die vorgerutschten schwarzen Locken aus dem Gesicht. "Wie sicher ist der Große Fluss hier im Süden?"
"Das Siegel Isoras von Elenvina kenne ich wohl", antwortete der Ritter nach jeweils kurzem Nachdenken. "Jedoch fehlt mir die Kunstfertigkeit, es nachzumachen. Auch die Formulierungen traute ich mir zu, jedoch fehlt mir die gestochen schöne Schrift um sie niederzuschreiben. Aber ich denke schon, dass man hierfür zur Not jemanden auftreiben könnte. Alles in allem ist es aber natürlich zu präferieren, wenn möglichst wenige eingeweiht sind.
Was nun die Sicherheit des Großen Flußes angeht, so spricht man mal von Thorwalern, mal von Flusspiraten, ohne dass man genau sagen könnte, ob man damit ein und dasselbe meint. Dahingehend sollten wir also Vorkehrungen treffen, wiewohl mir persönlich Thorwaler lieber wären, denn die meisten der Nordleute sind Albernia gewogen. Einzig die Nordmärker braucht man scheinbar nicht zu fürchten, auch wenn man Crumold sicherlich dennoch besser in dunkler Nacht passieren sollte.
`S gilt keine Zeit zu verlieren, am besten machen wir uns noch in dieser Nacht an die Arbeit, was die Urkunden betrifft. Ich werde Euch mit jemandem zusammenbringen, der besorgen kann, was zu besorgen ist, und vermitteln kann, wer in diesem Belang zu vermitteln ist..."
Ich nickte nur hin und wieder. Natürlich hatte ich nicht vor, eine Hundertschaft mit auf den Weg zu nehmen. Je mehr Leute, desto eher wird sich ein Kampf nicht vermeiden lassen - einfach, weil man auffällt. Und zuviele Fälscher verderben das Pergament.
Auch die sonstigen Vorschläge an die Herangehensweise konnte ich gut teilen. Diese Sache würde mal wieder richtig Leben in meine alten Knochen bringen! So meinte ich am Ende von Bohemunds Ausführungen zuversichtlich und beinahe schon begeistert: "Wunderbar! Dann lasst uns gleich beginnen!" Ich erhob mich vom Stuhl und reichte dem Ritter über den Tisch die Hand. "Übrigens habe ich mich noch nicht richtig vorgestellt: Ich bin Atreo von Wolfsberg."
Im ersten Moment blickte der Ritter etwas überrascht auf die ihm dargebotene Hand, so dass der Hauch einer peinlichen Pause entstand, ehe auch er sich erhob und einschlug. "'S ist mir eine Ehre, Herr von Wolfsberg. Ich bin Bohemund vom Berg-Sturmfels, aber das wisst Ihr ja vermutlich bereits."
Natürlich wusste ich!
Nein, es dürfte tatsächlich nicht jedem leichtfallen, den allzu kühlen Nordmärker sogleich ins Herz zu schließen. Aber man hatte mich ja auf dem Reichskongress vor dem meist grimmig, im besten Falle aber emotionslos dreinblickenden Ritter gewarnt. 'Ein Stein würde mehr Charme versprühen, so Ihr den nutzlosen Versuch machen wollt, ihn anzusprechen. In jedem Falle seid versichert, dass Ihr die Konversation nicht minder ermüdend finden würdet', hatte man mir dort gesagt.
Und tatsächlich erwies sich der Nordmärker zwar als umtriebiger Geselle, beschränkte sich jedoch stets auf die angebrachte Höflichkeit, ohne sich auch nur durch einen Skrupel warmer Freundlichkeit sympathischer erscheinen zu lassen. Glücklicherweise hatten wir beide in dieser langen Nacht viel zu tun, dass Arbeit und viel Papier kaum Raum dafür ließen, sich von dem Urteil gewisser Kongressteilnehmer über die Gesellschaft des Ritters höchstselbst zu überzeugen.

Alles Weitere war dann Routine für jemanden wie mich. Ein paar Mietlinge und ein Boot waren schnell gefunden. So hatte ich also doch noch ein wenig Kleingeld loszuwerden. Natürlich mussten wir uns vorsehen, aber das kennt man ja. Einzig wirklich berichtenswert vielleicht unsere List, ein ausgefranstes Seil am Boot zu befestigen. So konnten wir vorgeben, es sei gerissen, als man uns flussaufwärts treidelte... Was habe ich innerlich gelacht!

Weiter zur Ablieferung


Atreos Haus

Redaktion und Lektorat: OHH