Nach der Kür noch die Pflicht
Autoren: Oliver H. Herde und andere
SL
21. Boron 28 nach Hal, Mittag, Brabak
Eigentlich befinden sich Tempel des Efferd direkt am Meer, doch Satinavs Wirken hinterlässt auch bei solch grundsätzlichen Dingen Spuren, denn die Verschlammung der Mündung des Mysob hat dazu geführt, dass sich das Meer immer weiter von dem alten Tempelbau entfernt hat. Dazu kommt noch, dass der Tempel kaum mit dem Wachstum der Bedeutung des Hafens mithalten konnte.
Dennoch sind es nur einige hundert Schritt, die den Hafen vom Efferdtempel trennen, so dass die gar nicht so kleine Gruppe der Fahrgäste und Mannschaftsangehörigen, die Kapitän Efferdstreu folgen, nicht lange braucht, um den Tempel zur Mittagsstunde zu erreichen. Der Kapitän öffnet die Türen und bleibt wenige Schritt hinter dem Eingang stehen. Der Tempel ist so gut wie leer, was an der Tageszeit liegen mag.
Jergan geht einige Schritt weiter, sein Blick fällt auf die zahlreichen in das blaugrüne Licht der Gwen-Petryl-Steine getauchten Opfergaben; Riesenmuscheln, getrocknete Korallen und Schildkrötenpanzer finden sich dort, aber auch das Steuerrad eines Schiffes und ein mit langen Fangzähnen bewehrtes Gebiss gewaltiger Ausmaße, das auf Anhieb keiner bekannten Tierart aus Efferds Reich zuzuordnen ist. In einer Nische steht die kunstvoll gearbeitete Statue einer Frau. Ihr auf die Eintretenden gerichteter Blick zeigt die Entschlossenheit einer Seefahrerin, die es wagt, während der Tage des Namenlosen allen Widrigkeiten und Stürmen zum Trotz nach Brabak zu segeln, um die Stadt von der Hungernot befreien. Für diesen Mut wird Elida aus Salza noch heute in Brabak als Nationalheilige verehrt.
Das Zentrum des Tempels ist lediglich mit einem feinen blaugrünen Mosaik belegt. Dort können sich die Besucher gegenüber der Statue des Gottes versammeln und gemeinsam oder einzeln ihre Opfer darbringen. Die Opfergaben werden dabei in ein etwa kniehohes, ovales, wassergefülltes Becken gelegt, das vor Efferd steht.
Aus dem Hintergrund kommt ihnen nun ein Geweihter entgegen, der allerdings beim Anblick der großen Gruppe sofort wieder umkehrt und durch eine Seitentür verschwindet - um Sekunden später in Begleitung des Hohepriesters und Meisters der Brandung für das Südmeer, Emmeran Tralloper, zurückzukehren.
MK
"Kapitän Efferdstreu!" Der Hochgeweihte tritt auf den Kapitän zu, beide Hände ausgestreckt zur Begrüßung. "Jergan! Wir alle haben ungeduldig auf Euch gewartet. Schön dass Ihr jetzt da seid. Und Eure Mannschaft."
Der Meister der Brandung lässt seinen Blick über die Mannschaft und die Passagiere gleiten. Irgendwie gelingt es ihm, jeden gleichzeitig warm willkommen zu heißen.
JR
"Emmeran!" erwidert der Kapitän, als der Hochgeweihte heran ist und er die ausgestreckten Hände zum Gruß ergreift.
"Habt Dank für dieses Willkommen - in meinem Namen und dem meiner Mannschaft und Fahrgäste." Er macht dabei eine ausladende Handbewegung hin zu denen, die ihn in den Tempel begleitet haben.
OHH
Mehr aus Höflichkeit gegenüber den Mitreisenden als zwecks irgendeiner Korrespondenz mit der Gottheit hat sich Yashkir dem Trupp angeschlossen. Üblicherweise wendet er sich an die Frauen und Nachkommen Rastullahs doch eher, wenn er sich von ihnen etwas erhofft. Der miterlebte Sturm wäre in seinem Weltbild eher etwas, worüber er sich bei Efferd beschweren müsste, was aus Vernunftgründen freilich nicht umgesetzt wird.
Entsprechend unwohl und ein klein wenig fehl am Platze fühlt sich der Stabträger daher, auch wenn der Tempel durchaus keinen völlig neuen Anblick für ihn bietet. Es fiel ihm nie besonders leicht, mit Autoritäten umzugehen, seien es nun Menschen oder Götter.
Um so mehr entlockt ihm der Willkommensgruß des Geweihten ein warmes und dankendes Lächeln und Nicken. Der weitere Wortwechsel hingegen geht wie so vieles in seinen abschweifenden Gedanken rasch unter, während Yashkirs Blick höchst verräterisch ebenfalls umhertrudelt.
MK
Der Geweihte schaut in die Runde der Gäste. "Ich hole nur eben einige Geräte, dann beginnen wir. Mit einer angenehmen Pflicht." Damit tritt er zurück und geht auf die Tür zu, aus der er eben gekommen ist.
OHH
Ein kleiner Ruck durch Yashkirs Körper, welcher selbigen etwas senkrechter aufrichtet, verrät dir Rückkerh seiner Aufmerksamkeit. Wie kann eine Pflicht angenehm sein? Selbst eigentlich angenehme Dinge verlieren ihm schnell an Reiz, wenn sie zur Pflicht werden. Zudem ist ja die Frage, für WEN angenehm!
Misstrauisch blickt Yashkir daher dem Geweihten nach. Hoffentlich nicht bloß eine Opferzeremonie! Er hätte sein Geld doch vorsichtshalber beim Gepäck vergessen sollen.
SS
Die kleine Moha zuckt leicht zusammen und schließt fest die Augen. "Nein, Suk gehen nur gucken, weil alle gucken und gehen. Ich nicht will mögen Mann ist Herrscher von Meer. Das nicht gut!" Sie schüttelt widerwillig den Kopf. "Gar nicht gut das!" bekräftigt sie noch einmal.
JaR
"Nicht so laut", flüstert Uyna. "Ich verstehe und akzeptiere, dass Ihr an etwas anderes glaubt, doch seid Ihr hier in einem Tempel des Efferd. Eure Worte könnten verletzen oder jemanden gegen Euch aufbringen." Auch wenn die Worte eindringlich gesprochen sind, so liegt doch kein Vorwurf in ihnen, eher eine Spur Verständnis.
OHH
Zwar hat Yashkir die vorangehende Frage Uynas nicht mitbekommen, doch während des Wartens sind nach und nach die Worte der Moha-Matrosin zu ihm durchgedrungen. Durchaus eine gewisse Leistung, bedenkt man das geistige Bild des Tempelschatzes, durch welches sie sich hindurchgraben mussten.
Breit schmunzelnd hebt Yashkir die freie Hand, seinen belustigten Ausdruck zu verstecken. Nebenbei suchen seine Augen, ob jemand sein Amüsement bemerkt. Nicht, dass gleich zwei bis unbekannt viele Leute hinausgeworfen werden! Mit Göttern legt man sich nicht an, erst recht nicht mit ihrer Dienerschaft.
BJ
Ein offenbar alter Mann in einfacher Kutte mit den Abzeichen eines Raben auf dem Emblem, das an dem Stoff über seiner linken Brust befestigt war, ist der Gruppe gefolgt. Sein Blick wandert über das Mosaik am Boden in den Raum hinein, dann sagt er mit gedämpfter, aber vernehmbarer Stimme: "Ein wirklich schöner Ort. Früher hatte ich dafür keinen Sinn. Aber ein wirklich schöner Ort."
SS
Die Besorgnis der Viertelelfe entzieht sich Suk-Hay vollständig. Doch sie lässt es dabei bewenden; soll doch jeder glauben was er will.
Ein wenig entspannter lässt sie nun ihren Blick schweifen, der immer wieder an den Zähnen des riesigen Gebisses hängen bleibt.
JaR
Beruhigt folgt die Viertelelfe mit ihrem Blick dem der Matrosin. "Habt Ihr so etwas schon einmal lebendig gesehen, ich meine, mit dem Rest des Tieres zusammen?"
OHH
Für einen Moment lässt sich Yashkir von dem dunklen Alten ablenken, aber dann verfolgt er neugierig weiter das Gespräch der beiden Frauen. Eigene Erinnerungen an Begegnungen mit allerlei Seegetier streifen seine Gedanken dabei nur. Wo er sich befindet, hat er hingegen beinahe schon wieder vergessen.
Viel gibt es allerdings nicht mehr zu belauschen, da es allgemein andächtig still wird, was Yashkir nach einer ausschweifenden Gedankenexkursion zu allerlei Meeresabenteuern und dem anziehenden Anblick von weiblichen Unterarmen - oder weiblichen Füßen, Schenkeln, Haaren, Ohren und so weiter - wieder in die grausame Realität zurückwirft. In jener nämlich, langweilt er sich doch ein bisschen. Ist der Höflichkeitsbesuch bei Efferd nicht bald mal vorbei? Man sollte die Geduld der Götter nicht so strapazieren und zu Sache kommen!
Mit leicht gerunzelter Stirn lässt Yashkir seinen Blick offenkundig ziellos umherschweifen.
MK
Die Tür zu dem Nebenraum öffnet sich, und der Hochgeweihte Emmeran Tralloper tritt heraus. Zusätzlich zu seiner Robe hat er jetzt auch eine Art Netz um die Schultern gelegt, das zwar zunächst aussieht wie ein verkleinertes Fischernetz, statt Korkschwimmern aber wohl eher Juwelen trägt, zumindest glitzert es so. Zusätzlich trägt er als Kennzeichen seiner Amtwürde einen Dreizack.
Begleitet wird er von zwei jungen Novizen, ein Mädchen trägt eine große, blaubemalte Karaffe mit beiden Händen vor sich, die offenbar mit Wasser gefüllt ist. Der Junge einen Schwamm mit kurzem Stiel und eine große Muschel.
Tralloper stellt sich vor die Efferdstatue. "EFFERD! ATOS MERO MEKAI DEMASOTI!"
Der Junge setzt die Muschel an den Mund und ein tiefes Summen hallt durch den Raum.
Tralloper hebt den Dreizack über den Kopf. "Efferd. Herr des Meeres, Herr der Wellen. Dein Wind treibt unser Schiff des Lebens. Dein Wille gib uns unser Ziel. Von deinen Wassern kommen wir, unter deinen Wellen ist unser letzer Friede."
Er streckt die linke Hand aus, in die der Junge den Stil des Schwammes legt. Der Geweihte taucht den Schwamm ins Wasser des Opferbeckens, dann wendet er sich den Tempelgästen zu, geht in einem kleinen Halbkreis an ihrer Front entlang und bespritzt sie leicht mit dem Wasser des nassen Schwammes, während er den Dreizack segnend über ihnen schwenkt. Dazu murmelt er immer wieder "Der Wille des Meeresgottes".
Wieder vor der Statue angekommen gibt er den Schwamm zurück und reicht den Dreizack an das Mädchen, das inzwischen die Karaffe auf den Rand des Beckens gestellt hat. Jetzt ergreift er die Karaffe und schüttet ein wenig des Wassers in das Becken. "Efferd! MENUS QAWAI! Nimm unser Opfer an!"
Er stellt die Karaffe wieder an ihren Platz, nimmt den Dreizack und wendet sich erneut den Besuchern zu. "Wer seine Dankbarkeit Efferd gegenüber ausdrücken will, kann jetzt nach vorne kommen. Bitte legt eure Gaben in das Becken, wer nur ein symbolisches Opfer bringen kann, verwende bitte das Wasser aus der Karaffe. Wer einige Worte der Dankbarkeit sagen will, kann das gerne tun."
Damit tritt er zur Seite.
OHH
Demaskiert? Das Maskottchen? Hinreichend irritiert fährt Yashkir aus seinen Gedanken und betrachtet den Geweihten. Dabei schafft er es nicht so recht, sich dem Gesagten hinzugeben, sondern erinnert sich vielmehr an den segensreichgen Umstand, dass es im engeren Sinne keine Rastullah-Priesterschaft gibt.
Einige Spritzer im Gesicht bestätigen dies nochmals, verstärken Yashkir verwirrtes Geblinzele aber eher, als dass sie ihn in angenehme Wachheit riefen. Immerhin ist es schwül und somit feucht genug hier im Lande. So meint der Geweihte sicherlich, es sei Efferds Wille, dass alles nass zu sein habe. Den Impuls, sich mit Hand oder Ärmel über das Gesicht zu fahren, kann Yashkir allerdings unterdrücken. Man will ja niemanden verärgern.
JaR
Der Kapitän nickt manch einem, der fragend in seine Richtung schaut, auffordernd zu, dann sagt er leise und an niemanden speziell gewandt: "Wie in jedem Götterlauf werde ich als Letzter sprechen."
OHH
Während nach und nach die Mannschaftsmitglieder und die Passagiere vortreten, hält sich Yashkir bedeckt. Brav schweigt er zu alledem, dass man es feierlich nennen kann. Bloß nicht Efferds Aufmerksamkeit erregen! Zudem hat er ganz bewusst eh nichts dabei, was er opfern könnte.
Freilich ist er nicht recht bei der Sache. So ist er also mal wieder in seiner Wahlheimat angelangt, die ihm doch nicht allzu viel bedeuten kann. Sein Zuhause ist bei den Menschen, die ihm etwas bedeuten, allerdings weiß er von den meisten gar nicht so recht, wo das gerade sein mag.
Beonora wird wohl irgendwo auf ihn warten, falls er ihr wirklich bei der Suche nach einer Bleibe helfen soll. Immerhin mag er in ihr noch eine Freundin gefunden haben. Nur die Zukunft kann erweisen, eine wie enge.
Übersicht Yashkir
Redaktion und Lektorat: OHH 2010