(Eine Übersicht der Berliner Umsonstläden siehe unten.)

Alles umsonst!

(Aber nicht vergebens!)

Die Geheimnisse der neuen Umsonst-Kultur

Wo bekommt man heute noch etwas geschenkt? Überraschenderweise gibt es immer mehr Menschen, die darauf gleich mehrere Antworten wissen. Seit einigen Jahren bildet sich zunehmend die sogenannte Umsonst-Kultur hervor. Was aber ist darunter zu verstehen?

Wenn wir uns umsehen, werden wir bereits in unserem Kiez fündig: Im Nachbarschaftsladen des Sprengelhauses gibt es gleich im vordersten Raum ein paar Regale mit Büchern, die jeder mitnehmen und behalten darf. Nun mag sich mancher fragen, wie lange da wohl noch Bücher stehen. Der Witz ist, dass man auch Bücher dort hinstellen darf. Jeder von uns hat welche zuhause, die er nie wieder lesen wird, die aber viel zu schade zum wegwerfen sind. Sie zu verkaufen, ist hingegen aufwändig und wenig gewinnbringend.
Auch aus diesem Grunde hat man im Nabala die Regale als Tauschbörse eingerichtet. Nur, dass man nicht unbedingt tauschen muss, sondern nach Belieben geben und nehmen kann. Dies funktioniert sehr gut, weil viele Leute froh sind, wenn sie mal wieder Platz im heimischen Bücherschrank bekommen. Natürlich kann man auch vor Ort schmökern oder sich die Bücher nur für einmaliges Lesen sozusagen ausleihen und hinterher wieder zurückbringen.
So spart man nicht nur eine Menge Geld und Lagerraum. Man bereitet anderen noch eine Freude mit Dingen, die man selbst nicht mehr behalten möchte. Ebenso wird weniger fortgeworfen; unsere Müllberge sind bekanntlich größer als genug.
Ich spreche allgemein von Dingen, denn die Grundidee beschränkt sich natürlich nicht lediglich auf Bücher. Im Nabala findet man vereinzelt auch Comics, Videos, CDs und andere Medien. Andere Läden haben sogar noch mehr zu bieten.

Verweilen wir jedoch noch kurz bei den Büchern. Verschiedene Initiativen haben aus alten Telefonzellen sogenannte Bücherboxen gebaut und diese an einigen Plätzen in Berlin aufgestellt. Wetterfest und mit Regalbrettern ausgestattet, beherbergen auch sie Bücher zum freien Mitnehmen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Sie sind rund um die Uhr geöffnet.
Die dem Kiez nächste der Zellen steht vor dem Centre Francais (Müllerstr. 74), eine weitere vor der Fabrik Osloer Straße (Osloer Str. 12).

Auf Kleidung hat sich dagegen die Umsonst-Boutique des Unabhängigen Jugendzentrums Pankow (Florastr. 84) spezialisiert. Hier gibt es immer viel Auswahl, auch wenn man als Besucher oft erstmal für Licht sorgen und die Rollläden heben muss. Normalerweise sieht man niemanden von den Betreibern, die sich in den Räumlichkeiten der gegenüberliegenden Wohnung aufhalten.

Mir persönlich liegt Ula - kurz für Umsonstladen - an der TU Berlin besonders am Herzen, weil ich dort selbst mitarbeite.
Dass wir zwei Räume der Uni benutzen dürfen, bedeutet natürlich keineswegs, dass dort nur Studenten und Dozenten willkommen seien! Auch hier gilt: Je mehr mitmachen, desto häufiger lohnt sich der Besuch, weil dann schneller wieder Neues zu finden ist.
Ula war schon häufiger in der Zeitung und hat so ziemlich alles im Programm, was man mal eben unter dem Arm mitnehmen kann. Über die schon erwähnten Dinge hinaus bekommt man dort auch kleinere Elektronik, Geschirr, Spiele, Hinstellchen und vieles andere mehr. Nach mancher Antiquität müsste man anderswo sehr lange suchen. (Ula fiel der Corona-Hysterie zum Opfer.)
Im selben Gang gibt es auch die Fahrradwerkstatt Unirad, in der man unter fachkundiger ehrenamtlicher Anleitung seinen geliebten Drahtesel reparieren kann.

Vom Kiez aus mit dem Rad auch noch gut zu erreichen ist das Tauschmobil, welches samstags auf dem Wochenmarkt in der Seelower Straße steht und ebenfalls fast alles annimmt und anbietet.
Auch Friedrichshain und Weißensee haben ihre Umsonstläden. Besonders bemerkenswert ist noch der TAU - Tausch Aus Umsonst in Spandau, weil er von Grundschülern geführt wird.

Im Internet gibt es schon seit einigen Jahren die Seiten von alles-und-umsonst.de, wo man Schenk-Angebote und Gesuche fast aus dem gesamten deutschen Sprachraum abrufen kann oder eben auch selbst eine Anzeige schalten.
Ich bin selbst schon ein altes Bett darüber losgeworden, was ich sonst wohl nur in den Sperrmüll hätte geben können. Noch besser: Die Interessenten haben es sich selbst abgeholt! Gerade für große Dinge wie Möbel oder schwere elektronische Geräte, die in keinen der genannten Läden hineinpassen würden, ist dies also genau der rechte Platz.

Zu guter Letzt sei auch noch der Leihladen Leila erwähnt, dessen Konzept ein wenig anders aufgebaut ist. Hier kann man sich Dinge ausleihen oder selbst verleihen, die man sowieso nur sehr selten benötigt. Zum Beispiel elektronische Werkzeuge wie Bohrer werde in ihrem Leben durchschnittlich nur wenige Stunden lang genutzt. Da ist es sinnvoll, sie nicht dauerhaft bei sich herumliegen zu haben.

Was nun haben all diese tatkräftigen Menschen gemeinsam, die für ihre Mühen allesamt kein Geld bekommen? Zu allererst wohl die Erkenntnis, dass Geld nicht alles ist. Sie genießen die Vorzüge selbständiger Unternehmer, ohne wie diese ihre Früchte mit einem nimmersatten Staat teilen zu müssen. Denn die Erträge eines Umsonstladens bedeuten neben allerlei kostenfreien kleinen Schätzen auch Begegnungen mit besonderen Menschen und eine Entlastung der Natur. Seit die Weltkonzerne das Bargeld abschaffen wollen, ist das gegenseitige Verschenken ein weiterer Weg, sich von ihnen unabhängiger zu machen.
Wer einen Umsonstladen besucht, um möglichst viel mitzunehmen, hat das Prinzip nicht verstanden und wird zumeist gar nicht wiederkommen, weil er den Genuss dabei nicht verspürte, sich an kleinen Dingen zu erfreuen oder anderen eine solche Freude zu bereiten. Hier darf man nicht nach etwas Bestimmten suchen, das man gerade dann natürlich in der Regel nicht findet. Man muss sich auf entspanntes Stöbern einlassen, auf die Entdeckung des Unerwarteten und auf erfrischende Gespräche mit anderen Schatzsuchern.
Und irgendwann erkennt man gar: Man muss nicht alles haben, selbst wenn es umsonst ist.

Die nach der Corona-Hysterie wiedereröffneten Läden und sonstigen noch existierenden Umsonst-Attraktionen sind unten noch einmal mit voller Anschrift und Webseite gelistet.

Dieser Artikel erschien auch im Kiezboten und im Weddingweiser.


Themen
zum Beispiel:
Fahr Rad!
Leben ohne Fernsehen
Energie sparen
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Oliver H. Herde

Umsonst in Berlin

Während der
Corona-Hysterie haben auch die Umsonstläden und verwandte Einrichtungen unter den Öffnungs- und Kontaktverboten der Bundes- und Landesregierungen gelitten. Manche konnten nicht wiedereröffnen.

Bücherboxen
im Wedding:
13353 Lynarstr. 38 Fensterbretter der Obdachlosenhilfe (Schwerpunkt Kleidung/Nahrung) Man freut sich über Helfende in der Küche.
13349 Müllerstr. 74 - graue Telefonzelle vor dem Centre Francais
13359 Osloer Str. 12 - gelbe Telefonzelle vor dem Stadteilzentrum Fabrik Osloer Straße
in Niederschönhausen/Pankow (13156):
Bücherhäuschen vor Friedrich-Engels-Str. 103
Umsonstregal vor Güllweg 19a
Bücherkasten vor Kuckhoffstr. 42
Umsonstkasten vor Walhallastr. 31
Mundraub.org - Karte frei zugänglicher Obstbäume und anderer Nutzpflanzen
alles-und-umsonst.de - Umsonstportal im Web für die deutschen Länder
Gratis in Berlin - Veranstaltungskalender im Web

Bücherecke im Nabala
Nachbarschaftsladen im Sprengelhaus
Sprengelstraße 15
13353 Berlin - Wedding

Umsonst-Boutique
Florastr. 84
13187 Berlin - Pankow

Tauschmobil
Wochenmarkt in der Seelower Straße
10439 Berlin - Prenzlauer Berg

Systemfehler
Jessnerstraße 41
10247 Berlin - Friedrichshain

Umsonstladen im KuBiZ
Bernkasteler Str. 78
13088 Berlin - Weißensee

TAU - Tausch Aus Umsonst
in der Grundschule im Beerwinkel
Im Spektefeld 31, Nebengebäude am Parkplatz
13589 Berlin - Spandau

Leihladen Leila