Kellerbesuch

Es war eine etwas heruntergekommene Gegend mit noch allzu vielen Kopfsteinäckern, wie er diese unsäglichen Holperstraßen vergangener Jahrhunderte nannte. Die schmutzig-dunklen Wände der Häuser hatte man zusätzlich mit Schmierereien und halbzerfetzten Werbeplakaten verunstaltet. Nichts, was er mit mehr als einem unwilligen Seitenblick bedacht hätte. Er hatte sich sowieso auf den Verkehr zu konzentrieren.
Als er die Einfahrt mit der richtigen Hausnummer erreichte, stieg er nicht ab, sondern lenkte das Rad direkt auf den zweiten Hinterhof, wie Tina es ihm beschrieben hatte. Der letzten passierten Uhr zufolge musste es etwa 10 Uhr morgens sein - also war er recht pünktlich.
Natürlich hatte ihm seine Gefährtin noch mehr mit auf den Weg gegeben als Ort und Zeit: Er sollte hier einen Makler mimen, welcher ein zu verkaufendes Haus besichtigt. Vor allem aber sollte er sich für den Tag nichts weiter vornehmen! Olli schmunzelte über diesen verräterischen Zusatz.
Allerdings war er auch ein wenig aufgeregt, was Tina sich wohl wieder ausgedacht haben mochte. Seiner Rolle entsprechend blickte er aufmerksamer umher, als er es gewöhnlich an fremdem Orte tat. Das etwas trübe Wetter hatte Tina jedenfalls gut abgepasst, sofern er mit seiner vagen Vermutung recht behielt: Es passte gut zu der düsteren Kulisse zwischen den abgeplatzten Fassaden des Hofes.
Nachdem er das Rad an das rostige Geländer einer Kellertreppe angeschlossen hatte, ging er diese weisungsgemäß hinab. Hinter der angelehnten Kellertüre brannte Licht. Olli lauschte. Nichts war zu hören als der ferne Verkehrslärm in seinem Rücken.
Wie abgesprochen rief er in den Gang hinein: "Hallo, ist hier wer?" Bestimmt das ideale Zeichen für die lauernde Tina, dass er käme. Erneut musste er schmunzeln, obgleich die Szenerie wirklich etwas Unheimliches an sich hatte. Eine Antwort gab es nicht, doch hatte er ja genau damit gerechnet.
Langsam ging er voran - eine Vorsicht, welche ihn weniger vor Tinas zu erwartendem Überfall schützen sollte, als seinen Kopf vor der niedrigen Decke. An der ersten T-Kreuzung horchte er noch einmal angestrengt, jedoch wiederum ohne Ergebnis.
Hoffentlich war das überhaupt der richtige Keller! Und die richtige Zeit. Und überhaupt.
Nachdem er schon in eine Sackgasse gelaufen war, musste er auf der anderen Seite nach einer Biegung durch ein unbeleuchtetes Gangstück. Eine defekte Lampe? Eher wohl zwei bis vier, da das nächste Licht erst in einiger Entfernung brannte. Absicht? Für ein Spiel klopfte sein Herz doch etwas arg heftig!
Aber Olli blieb nichts anderes übrig als Augen auf und durch. Zum Glück war er es gewohnt, nachts in der Wohnung auch ohne Beleuchtung auszukommen. Hier jedoch herrschte eine so unangenehm verdreckte Stimmung mit abgestandener Luft, staubigem Boden und Spinnweben an der Decke. Letztere mochte er auf keinen Fall in die Haare bekommen!
Noch gebückter und langsamer schob er sich voran ins Dunkel und hoffte, Tina wisse wenigstens genau, was sie ihm da gerade antat! Schon nach zwei Metern mündete der Gang in einen Raum, dessen Decke Olli so wenig sehen konnte wie die Seitenwände. Vorsichtshalber blieb er geduckt und zielte das nächste Gangstückchen an, welches diesen Raum von einem weiteren trennte, hinter welchem nach wieder einem Zwischenstück ein dritter und wieder beleuchteter Raum folgen würde. Wäre man nur schon dort!
Sein Fuß stieß im mittleren Gangstück an einen losen Stein. Wischend stellte Olli fest, dass hier noch mehr davon herumlagen, selbst deren größere er nur sehr vage im Dunkel erkennen konnte. Also wurde er noch langsamer, ließ die Füße über den Boden gleitend vorantasten, wobei er angestrengt hinabstarrte.
Ein anderer Geruch mischte sich in den Kellermuff, doch zu schwach, ihn einordnen zu können. Immer mehr bekam Olli das Gefühl, beobachtet zu werden. Allerdings hatte er dies auch schon draußen auf dem Hof gehabt. Inzwischen schrie es ihn hingegen regelrecht an. Angestrengt schnaufend schob er es beiseite und konzentrierte sich weiter auf den Boden. Schließlich wäre es viel zu gefährlich, ihn in dieser Finsternis anzugreifen! Bestimmt wartete Tina weiter hinten im Hellen und lachte sich ins Fäustchen.
Weit war es ja nicht mehr; er hatte fast die Mitte des zweiten Raumes erreicht. Links und rechts war schemenhaft irgendwelches Zeugs zu erkennen, welches wohl bis an die Decke aufragte. Hatte sich da was bewegt? Am liebsten wäre er jetzt losgerannt, so mulmig wurde ihm.
Da plötzlich fuhr ihm der Schreck in die Glieder: Ein Klicken irgendwo, das grelle Licht einer nackten Glühlampe erstrahlte, zwei schwarze Gestalten überragten ihn zu beiden Seiten! Im unwillkürlichen Aufrichten fiel ihm etwas auf den Kopf, dass er unter der obgleich fast zarten Berührung zusammenzuckte. Ein Netz umfing ihn und wurde zusammengezogen!
Man hatte Seile in die groben Maschen gefädelt, an denen nun die beiden Schwarzen zerrten, wobei sie von ihren Holzkisten heruntersprangen. Eine dritte Gestalt warf eine zusätzliche Schlinge um Ollis Oberkörper. Drei maskierte Frauen!
"Wollt ihr mich umbringen!?" rief er, womit er seinem ersten Schrecken Ausdruck zu verleihen suchte.
"Nur, wenn du Widerstand leistest oder nicht die Klappe hältst!"
Von dieser Antwort einer fremden Stimme völlig überrumpelt, brachte Olli erst einmal kein Wort mehr heraus und ließ sich einstweilen weiter einwickeln.
Bei der Frau in der Mitte vor ihm handelte es sich offenbar wirklich um Tina, wenn sie auch alle drei völlig schwarz angezogen waren und sogar Handschuhe und Stoffmasken trugen, welche lediglich die Augen frei ließen. Die aber genügten ihm, sich zu beruhigen, zumal er für einen Moment Sorge darin erkannte. Um diese zu zerstreuen, lächelte er.
Nun kam ihm in den Sinn, dass die drei Mädels ihre Rollen - welche immer das genau sein mochten - sehr viel besser spielten als er. Vielleicht ließen sich Spiel und Neugier miteinander verbinden. "Aber was...?"
"Still, verdammt!"
Dann eben nicht. Olli ergab sich seinem Schicksal. Seine Maklerrolle war sowieso nur ein Vorwand gewesen, weswegen er in den Keller kommen sollte. Und die Steine eben waren bestimmt gezielt dort plaziert, um Olli sich auf den Boden konzentrieren zu lassen.
Inzwischen hatten ihm die drei Damen den Rumpf kräftig zusammengeschnürt, dass er die Arme kaum mehr bewegen konnte. Während die beiden fremden ihn festhielten, legte Tina ihm über das Netz ein handbreites Halsband mit vier Ösen um. An den seitlichen und der vorderen hingen bereits mit Karabinerhaken befestigte Leinen, welche die beiden Unbekannten nun ergriffen.
Wie sie ihn auf diese Weise in Schach hielten, kam sich Olli fast wie ein gefangener Bär oder ein Wildpferd vor, zumal alle drei kleiner waren als er. Vielleicht hätte er sie alle umwerfen und ausbrechen können, aber das Spiel sollte ja nicht in Verletzungen ausarten.
"Du bist brav, aber wir können kein Risiko eingehen", raunte Tina gespielt abgebrüht und holte eine Ledermaske hervor. "Maul auf!"
Bereitwillig leistete Olli folge, so dass sie den eingearbeiteten schlaffen Pumpball hineinschieben und die Maske über Ollis Kopf ziehen konnte. Hinten zog sie die Schnürung fest zusammen, dann kam sie wieder vor ihn und pumpte den Knebel gehörig auf, dass Olli fast die Luft wegblieb.
Zuletzt nahm sich Tina auch noch Ollis Füße vor, welche sie ganz simpel an den Gelenken mit einem Seil verband, dass die mögliche Schrittweite auf ein paar Handbreit reduziert wurde. Einmal noch besah sie sich ihr Werk und ihren Gefangenen. Olli meinte, einen zufriedenen Ausdruck in ihren lieben Augen erkennen zu können.
Unvermutet nahm sie eine Fotokamera von einer der herumstehenden Kisten und schoss zwei digitale Bilder von ihm zwischen seinen Bändigerinnen. Auf das Ergebnis wurde er schon jetzt neugierig.
Doch einstweilen bekam er es nicht zu sehen. Im Gegenteil steckte seine Freundin mit Hilfe von Druckknöpfen eine Sichtblende vor seine Augen an die Maske, dass es erneut - und diesmal vollends - dunkel um ihn wurde.
Dann ließ sie sich die vordere Leine übergeben, und gemeinsam dirigierten die drei Frauen ihn fast ausschließlich über Zug an den Leinen weiter die Kellergewölbe entlang.

Besuch im Fetischladen
Startseite
Über den Autor
Bibliographie

© OHH 2007