Dann - endlich! - ein letzter großer Holper, und das Taxi raste wieder über ebenen Untergrund. Dennoch traute sich Geroline erst ein Weilchen später, die verkeilte Stellung aufzugeben und zu verschnaufen.
Als sie sich etwas beruhigt hatte, schüttelte sie verwundert den Kopf. Wollte der Klotz sie eigentlich verulken? Problemlos führte sie die Hände zum Mund und zog das Knebeltuch heraus, dass es ihr einstweilen um den Hals hing. Anschließend winkelte sie die Beine weiter an, legte die Arme quer über die Oberschenkel und befreite auch ihre Füße.
Blieben die Handgelenke als einzige Herausforderung. Mit den Fingerkuppen vermochte Geroline zwar den Endknoten zu berühren, doch Halt fand sie keinen. So ging es nicht - nicht bei diesem Geschaukel.
Hatte dieser Mensch kein Werkzeug und keine Erste-Hilfe-Ausrüstung? Jedenfalls nicht im Kofferraum, stellte sie nach ausführlichem Umhertasten fest. An ihren Rucksack kam sie natürlich auch nicht heran.
Alles noch kein Grund, aufzugeben! Geroline begann, an ihren Handfesseln zu nagen. Immer wieder sorgten Kurven dafür, dass ihre Zähne den Halt verloren oder Geroline sich leicht ins Gesicht schlug. Leider konnte sie ob der Dunkelheit nicht erkennen, ob sie Fortschritte machte und überhaupt immer an derselben Stelle herumkaute. Auch der hochsensible Tastsinn der Zunge half bei dem bald weiträumig speichelfeuchten Seil nicht viel weiter.
Wieder einmal hielt der Wagen. Wie die Male zuvor hielt Geroline inne und lauschte. Der Motor stoppte, die Türe schlug! Diesmal standen sie also nicht an einer Ampel oder aus ähnlichem Grund.
Eilig warf Geroline das unten gelöste Seil wieder über die Fußgelenke, um ihre bisherigen Befreiungserfolge zu vertuschen. Für das noch um den Hals hängende Knebeltuch langte die Zeit hingegen nicht mehr, denn schon öffnete sich die Haube des Kofferraumes.
"Nanu", murmelte der Fahrer nur etwas verwundert, als er Geroline sah. Doch ohne weiter darüber nachzudenken, packte er sie, hob sie heraus und stellte sie auf ihre Füße. Im nächsten Moment hatte er ihr Knie zwischen den Beinen, im übernächsten wand er sich schmerzerfüllt am Boden.
Ein Stückweit entfernt stand ein kleines Privatflugzeug. Sie waren auf einem winzigen Flugplatz!
Doch weiter konnte sich Geroline nicht umschauen, denn hinter ihr ertönte eine Frauenstimme: "Trottel! Sich von so einem süßen kleinen Mädchen austricksen zu lassen!"
"Ich bin nicht..." begann Geroline noch im Herumwirbeln. Der Anblick der vorgehaltenen Pistole ließ sie jedoch verstummen. Gehalten wurde die Waffe von einer sportlichen Latino-Frau, die höchstens zehn Jahre älter sein mochte als Geroline.
"Ich weiß schon, wer du bist, Prometheus, danke. Ins Flugzeug, los!" Sie kannte also Gerolines Decknamen! Wusste sie folglich etwa auch von dem Umschlag?
Die Handfesseln würde Geroline jedenfalls wohl noch etwas behalten. Nach einem richtungsweisenden Schwenken der Waffe ging sie gehorsam voran.
Inzwischen hatte sich auch der Taxifahrer - oder was immer er war - aufgerappelt und folgte ebenfalls zum Flugzeug. Eine Tür war als Treppchen heruntergeklappt; diese stiegen sie hinauf. Drinnen gab es ein paar Sessel für Passagiere, zwei Tischchen, Fernseher und Barschränkchen, davon abgeteilt einen fensterlosen Bereich für Gepäck hinter einem offenen Vorhang. Zwei kleinere Türen führten wohl zur Toilette und am anderen Ende der Pilotenkanzel.
"Setz dich!" Die neuerlich winkende Bewegung der Pistole schloss ganz unzweideutig die bequemen Sitzplätze aus und wies vielmehr in die Gepäckkabine. Dort lag ein seltsamer gelber Stoff mit wulstigem Rand halbwegs rund ausgebreitet. "Ja, da drauf!"
Geroline gehorchte lieber und ließ sich nieder.
"So, pass gut auf!" forderte die Frau den Fahrer auf. "Wenn du jemanden fesselst, dürfen die Hände nicht überall drankommen. Am besten ist meistens nach hinten. Da du aber schon mal so angefangen hast...
Hände zwischen die Füße!" Dies galt wieder Geroline, der momentan gar nichts anderes übrig blieb, als darauf einzugehen. Offenkundig geübt, schlang ihr die Frau das mitgebrachte Seil um Hand- und Fußgelenke, dass alle Viere in eine Reihe gefesselt wurden. Leider hatte sie auch noch weiteres Material an Bord, direkt hier im Kabuff, denn mit zwei kürzeren Stricken befestigte sie nun noch Gerolines Oberarme direkt über den Knien. Das würde kein gemütlicher Flug.
"Das Tuch ist sowieso etwas klein. Selbst als Ganzes kaum genug, so ein hübsches kleines Mäulchen zu stopfen." Noch während sie so dozierte, öffnete die Frau den Knoten in Gerolines Nacken, um das Tuch zusammenzuknüllen und ihrer Gefangenen zur Gänze in den Rachen zu schieben.
Wie gerne hätte sich Geroline im Spiel von dieser sinnlich-dominanten Frau verpacken lassen! Bislang hatte sie für derlei noch keine bereitwillige Gefährtin gefunden. Und nun ausgerechnet eine echte Entführung!
Mit zwei breiten Paketklebestreifen wurden Gerolines Lippen sorgsam verschlossen. "Na also!" kommentierte die mutmaßliche Agentin und klopfte kumpelhaft auf den Rucksack, als ahnte sie, was sie in dem mitgefesselten Behältnis zu erwarten habe. Aber sie öffnete ihn nicht.
Statt dessen zog sie den Wulst um Geroline empor, welcher sich nun als Krempe eines großen Postsackes erwies - voluminös genug, der zusammengekrümmten Geroline bis über den Kopf zu reichen. Schon wurde der Sack über ihr geschlossen und zusammengebunden, und es war wieder dunkel um Geroline.
"Hier ist dein Geld, und nun verschwinde!" hörte sie die Frau sagen. Danach wurde die Treppentüre zugezogen. Die Klappe zum Cockpit ging. Bald darauf setzten die Maschinen des Flugzeuges ein.