Neue Abenteuer der süßen Geroline

Erster Teil

Al Qahira - Kairo.
Geroline spazierte über einen Markt in der Altstadt und war sich ihres Verfolgers trotz der vielen Leute durchaus bewusst: Ein harmloser Polizist, aber lästig. Man hatte wohl Angst um die westlichen Touristen. Trotzdem war dieser eine doch etwas arg anhänglich.
Hin und wieder knippste Geroline das eine oder andere Bild mit ihrer Digitalkamera, um ihre Rolle zu spielen. Eine anderer Apparat mit Farbfilm hing ihr um den Hals, dazu allerlei Zubehör in der Fototasche. Morgen auf dem Empfang hatte sie eine Journalistin zu mimen und Portraitbilder mit zugehörigen Fingerabdrücken einzusammeln. Vielleicht ging es um Spionage, vielleicht um Terrorismus. Nach ihren bisherigen schlechten Erfahrungen wollte sie das lieber gar nicht so genau wissen. Vielleicht hätte Geroline den schmutzigen Job längst hingeworfen, wäre nicht diese übermächtige Verlockung gewesen, ägyptische Altertümer zu Gesicht zu bekommen.
Vor einem besonders aufdringlichen Kerl mit Bauchladen flüchtete sie in eine ruhige Gasse. Endlich mal kein Gedrängel! Geroline ging die armseligen Fassaden entlang, genoss die zunehmende Stille und atmete freier. Ein in einem Häusereingang schlafender Beduine schien der einzig anwesende Mensch zu sein.
Doch ihr Herzschlag wurde jäh und unvermutet durch das Auftauchen einer finsteren Gestalt am anderen Ende der Häuserreihen wieder beschleunigt. Bedrohlich kam der Mann näher. Sie blieb stehen. Kein Zweifel, er schaute sie direkt an, und sein fieses Lächeln gefiel ihr nicht. Langsam wich sie zurück; er schritt flott heran.
Als sie gerade wieder auf Höhe des Beduinen stand, überlegte Geroline, diesen zu wecken. Da sprang der vermeintliche Schläfer plötzlich hellwach auf und griff nach ihr. Es gelang ihr, auszuweichen und die Gasse Richtung Marktplatz zurückzurennen. Hinter sich konnte sie das schnelle Fußgetrappel der beiden Verfolger vernehmen.
Plötzlich stand der Bauchladenbesitzer vor ihr und versperrte den Weg. Mit beiden Händen schwang sie ihm seinen Laden ins Gesicht und huschte an ihm vorüber. Da hatte sie der Beduine erreicht und packte sie am Arm. Ein Tritt zwischen die Beine ließ ihn für ein Weilchen aus dem Geschehen ausscheiden, aber dann wurde Geroline letztlich doch noch von den beiden anderen niedergerungen.
Die Hände wurden ihr gekreuzt auf dem Rücken zusammengebunden, dann umwickelten sie groben Männer großzügig ihren Oberkörper und die Beine. Alles ging so schnell, dass sie kaum zum Schreien kam, und auch dies endete bald, als ihr ein geknotetes Tuch zwischen die Zähne gepresst wurde. Nun war Schluss mit kratzen und beißen. Alles Winden half nicht dagegen, dass man sie in einen großen Korb stopfte und den Deckel mit Schnallen sicherte. Mühsam mahnte sie sich zur Ruhe. Falls man sie zum Markt tragen sollte, würde sie die Leute dort und insbesondere den Polizisten schon auf sich aufmerksam zu machen wissen. Leider konnte sie durch die Korbmaschen allzu wenig von der zwielichtigen Gasse erkennen.
Statt dessen erspähte sie kurz und unvermutet das Gesicht des Polizisten: Der finstergesichtige Entführer gab ihm Bakschisch!
Derweil wurde Gerolines Korb zu anderen in einen Lastwagen geladen. Sich jetzt aus dem Knebel zu quälen und zu schreien, wäre also der falsche zeitpunkt gewesen. Die Wagentüren schlossen sich, und es wurde endgültig finster.
Kurz darauf begann eine Fahrt durch die Stadt. Da sie sich nicht sicher sein konnte, ob man sie außerhalb des Lasters hören und vor allem verstehen würde, sparte sich Geroline ihre Kräfte lieber für eine günstigere Gelegenheit auf.
Nach einer Weile nahm der Verkehrslärm ab. Verließen sie etwa die Stadt!? Unruhig geworden, versuchte Geroline, den Korbdeckel aufzustemmen - vergeblich. Also begann sie, sich mit der Beinfesselung zu befassen. Im Dunkel und bei der Enge und dem Geruckel wirklich keine leichte Aufgabe, wenn auch die Knoten nicht völlig unerreichbar gesetzt waren.
Unvermutet wurde der Wagen langsamer. Vielleicht ein Stau? Als der Laster hielt, konnte sie gedämpft hören, wie der Fahrer mit jemandem draußen sprach. Ein weiterer aus der Verschlepperbande?
Da ging die Lastertüre auf. Ein Polizist schaute herein. Freund oder Feind? Wenn letzteres, wusste er eh, dass sie hier war, also riskierte sie nichts dabei, den Korb in Bewegung zu versetzen. Heftig schaukelte sie umher.
Der Polizist stellte eine Frage, die einer der Entführer auf arabisch beantwortete. Geroline verstand nur ein einziges Wort: Mamba. Eine Ausrede! Nun aber hurtig!
Angestrengt zog sie den Unterkiefer zur Kehle zurück und hinab. Soweit sie durch die Korbmaschen erkennen konnte, war der Polizist befriedigt, nach was immer er gesucht haben mochte. Noch wehrte sich der brutale Knebel, über die Zahnreihen zu springen, so sehr Geroline auch mit der Zunge nachhalf. Schon schlossen die Männer die Türe. Bei dem dumpfen Geräusch zuckte Geroline unwillkürlich zusammen.
Dann, endlich, spannte sich das Tuch außen um ihren Kiefer. Es auch übers Kinn zu bringen, diese Zeit nahm sich Geroline nicht. "Hilfe!" schrie sie mehrmals aus Leibeskräften.
Stille.
Sie wiederholte ihre Rufe auf englisch, französich, spanisch und noch einmal deutsch. Endlich öffnete sich die Ladetür wieder. Man befreite sie, derweil die Entführer verhaftet wurden.
Was für ein Einstand in Ägypten! Da konnte es auf dem morgigen Empfang nur besser werden.
Oder...?

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