Vom Kleiderkauf

Man kommt sich in der Damenabteilung ja immer seltsam deplaziert vor. Warum eigentlich?
Jedenfalls wurde mir der Kleiderkauf um so problematischer, je mehr mein Interesse an vielen gegenwärtig in unserer Kultur feminin belegten Kleidungsstücken in mein Bewusstsein vordrang.

Zu meinem ersten richtigen Nervenkitzel gar nicht so angenehmer Natur kam es, als ich im Schnäppchenmarkt bei Karstadt niedliche schwarze Sommerkleidchen entdeckte - ärmellos und eng geschnitten. Sie faszinierten mich außerordentlich, dass ich lange mit fühlen, betrachten, auseinander- und zusammenfalten und dem Vergleichen der beiden Modelle zubrachte. Zaghaft hielt ich sie mir auch einmal vor dem Spiegel an, denn welcher Mann kennt schon seine Damenkonfektionsgröße!
Ich kam mir furchtbar beobachtet vor und wandte mich immer wieder wie desinteressiert vom Grabbeltisch ab, um nach einer kürzeren Bahn des Sinnierens aufs neue zurückzukehren und alles nochmal zu wiederholen. Würde ich solch ein Kleidungsstück überhaupt oft genug tragen, um den Preis zu rechtfertigen? Und bei welcher Gelegenheit?
Schlussendlich entfloh ich dem Konsumtempel ohne Beute.
Doch es ließ mir keine Ruhe, bis ich ein paar Tage später nochmals erschien und mich nach neuerlich eingehenden Überlegungen für eines der Kleider entschied.
Sorgsam legte ich es zusammen, um die Kassierein nicht gleich mit der Nase darauf zu stoßen, was ich hier eigentlich erwarb. Jene aber schüttelte es der Gewohnheit gemäß auseinander - vielleicht um zu prüfen, ob es wirklich nur ein Teil sei. Es wirkte absolut nicht danach, als denke sie sich irgend etwas beim Betrachten, was mir die Peinlichkeit zumindest erträglicher machte.
Dann aber war es überstanden, und ich bin heute noch sehr zufrieden mit dem Kleidchen, welches ich vereinzelt noch mit anderem kombiniert bei Fantasy-Geländerollenspielen trage. Ich hätte auch noch eines von der anderen, längeren Sorte nehmen sollen.

Ein oder zwei Jahre später bekam ich mit, dass zwei meiner Freundinnen Männer durchaus gerne in Röcken sehen. Irgendwann fasste ich mir ein Herz und fragte beide per Mail, ob sie wohl Lust hätten, mich einmal bei Stöbern in Damenabteilungen zu begleiten und seelisch zu unterstützen. In der Tat, sie hatten! Aus ihren Antworten konnte ich allerdings schon erahnen, dass die Angelegenheit durch die beiden nicht unbedingt weniger peinlich, aber doch wenigstens sehr viel lustiger werden würde.
Wir landeten zunächst in einem jener Läden, die sportlich-moderne Klamotten für junge Mädchen und Frauen führen. So richtig wusste ich ja noch nicht, wonach ich eigentlich suchte. Zwei lange, glatte Kleider gefiehlen mir vom Stoff her am ehesten. Nun sollte ich sie also anprobieren.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich das einzige männliche Wesen im gesamten Ggeschäft war. Es gab nicht einmal einen, der seine Freundin begleitete. Ich brauchte einige Momente, Mut zu schöpfen.
Endlich schnappte ich mir die ausgesuchten Stücke und verschwand damit höchst eilig un der Kabine. Das Letzte, was ich noch sah, bevor ich den Vorhang zuzog, war eine mir volkommen fassungslos nachschauende Verkäuferin.
Doch von da ab begann es mir immer mehr Spaß zu bereiten. Schon als ich das erste Kleid über den entblößten Körper streifte, fühlte ich eine selten gekannte freudig-feuchte Erregung. Wir stellten fest, dass mir Spaghettiträger nicht so wahnsinnig gut stehen. Interessanterweise stimmt das aber damit überein, was mir an Mädels besser und was weniger gefällt.
Später bei C&A probierte ich ein paar Röcke, darunter einen aus schwarzem Samt, der meinem Geschmack schon recht nahe kam. Den Schlitz hätte man vermutlich gut zunähen können, doch wäre der Rock dann zum Laufen noch weit genug gewesen?
Nebenbei bekam ich Vorhaltungen, ich würde wie ein Cowboy laufen. So stolzierte ich also wie gewünscht vor meinen Mädels und zumindest einer Verkäuferin in der Nähe auf den Zehenspitzen umher.
Alles in allem war es ein wundervoll netter Bummel, auch wenn wir an diesem Nachmittag nichts Passendes für mich gefunden haben. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie ungern ich früher einkaufen war. Es ist eben wie mit fast allem anderen: In Gesellschaft ist es lustiger. Seitdem traue ich mich auch immer leichter allein in die Damenabteilungen und sogar in reine Mädelsläden. Theoretisch könnte ich ja immer gerade etwas für eine Freundin suchen. Nur beim Anprobieren wird es dann eindeutig. Aber auch darüber bin ich inzwischen halbwegs hinweg.
Allerdings frage ich mich doch zunehmend, was diese Geschlechtertrennung eigentlich soll.


Warum Frauenkleider?
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