Aminata und Fritz erkunden die Welt
(12)

In der Serengeti

Konzept Narcisse Djakam; Text Oliver H. Herde

Schon früh am Morgen sind Aminata und Fritz mit seinen Eltern, Onkel Gebhard und einem einheimischen Safari-Führer namens Elimu in einem großen Wagen aufgebrochen und immer tiefer in den Nationalpark der Serengeti hineingefahren. Wie Elimu erklärt hat, leitet sich der Name aus der Massai-Sprache von 'endloses Land' ab.
Straßen gibt es hier keine, höchstens mal eine kaum befahrene Piste. Weit ausgedehnte Savanne, von verstreuten Akazien geschmückt, wechselt sich mit Grasebenen ab.
Immer wieder hält Elimu den Wagen an, damit seine Fahrgäste in Ruhe die Landschaft und ihre Tiere betrachten und fotografieren können. Hierfür müssen und sollen sie nicht aussteigen - darum ist das Auto nach oben hin offen. Vor allem Gazellen, Gnus, Zebras und Büffel bevölkern in gewaltigen Herden die Serengeti, bisweilen auch miteinander vermischt und einander duldend.
"Wie friedlich alles ist!" staunt und freut sich Fritz.
"Ja, momentan", schränkt die Mutter jedoch ein. "In den Fünfzigern wurden die damaligen menschlichen Bewohner des Parks für diesen Frieden vertrieben. Als Ausgleich hat man die Lebensbedingungen im Umland verbessert, was jedoch mehr Menschen dorthin gelockt und den Druck auf den Park noch erhöht hat. Ein anschauliches Beispiel, wie schlecht staatliche Eingriffe meist zuendegedacht werden können. Zum Glück hatten Naturschützer inzwischen eine bessere Idee: Die Einheimischen sollen das Gebiet selbstverantwortlich schützen und nutznießen davon über den Tourismus. Auf solche Weise verspricht das natürlich viel mehr Erfolg. Hoffen wir nur, dass man den Leuten genug Zeit lässt, sich in diese neue Aufgabe einzuleben!"
In diesem Moment schreit Aminata erschrocken auf, da drüben am Fluss zwischen den Bäumen eine Löwin eine Antilope niedergerissen hat und diese nun mit einem Biss in den Nacken tötet.
"Wildkatzen wollen auch leben", erklärt Onkel Gebhard, "und brauchen dafür Nahrung. Was glaubt ihr, wo unser Fleisch, Würste oder Fisch herkommen? Bestimmt war es ein schon älteres oder ohnehin krankes Tier; die sind leichter zu fangen."
"Dann esse ich jetzt nur noch Obst und Gemüse", verkündet Fritz kurzentschlossen, bereut dies jedoch sogleich, als er sich die Eintönigkeit einer solchen Kost vorstellt.
"Nun gut, aber für Plantagen Getreidefelder und so weiter werden viele Tiere ihres Lebensraumes beraubt", wendet Onkel Gebhard ein. "So einfach ist das alles also nicht."
"Seht mal, dort drüben sind Affen!" versucht der Vater mit einer Horde Grünmeerkatzen auf etwas Erfreulicheres aufmerksam zu machen.
Tatsächlich tollen sie gar nicht allzu weit entfernt miteinander umher, manche scheinen miteinander Fangen zu spielen. Schaut man aber genauer hin, entdeckt man an den Rändern der Gruppe auch welche, die Wache halten. Aus gutem Grunde: Als sich etwas später ein Rudel Tüpfelhyänen nähert, huschen die Meerkatzen zum nächstgelegenen Galeriewald am Fluss die Bäume empor.
"Pflanzen sind viel friedlicher als Tiere", stellt Aminata resigniert fest, und Fritz nickt bedauernd hierzu.
Aber Onkel Gebhard widerspricht auch hierin: "Glaubt das mal nicht! Auch Bäume, Büsche und Gräser kämpfen miteinander um den Boden, auf dem sie stehen - selbst Blumen und Heilkräuter! Man sieht es nur nicht, weil das so langsam geschieht und zu einem Großteil unter der Erde, wo die Wurzeln einander verdrängen. Und oben nehmen die Großen den Kleinen das Licht weg. Manche schmarotzen von anderen, indem sie an ihnen hinaufwachsen - Schlingpflanzen und Moose, zum Beispiel."
Schon will Fritz argumentieren, dass Pflanzen wenigstens keine Tiere töten, aber dann fallen ihm insektenfressende ein. Viele sind auch wegen ihrer Stacheln oder Giftigkeit zu meiden wie Disteln und Brennnesseln. Beinahe freut er sich auf sein Zimmer zuhause, aber dann gibt es doch noch allzu viel Bestaunenswertes zu sehen.
Die Großartigkeit der Natur und die Lebensfreude, welche Aminata und Fritz bei diesem Anblick empfinden und auch in vielen Tieren erkennen, verscheuchen alle trüben Gedanken. So werden sich die beiden noch lange an diesen Tag erinnern und über die zahlreichen Erlebnisse nachdenken.

Die Serengeti
  • Savanne im Norden Tansanias und Süden Kenias mit einer Fläche von 30.000 Quadratkilometern.
  • Der Serengeti-Nationalpark misst knapp 15.000 Quadratkilometer und ist seit 1981 Teil des Weltnaturerbes und des Tansanianischen Biosphärenreservats.
  • Eines von Afrikas komplexesten und am wenigsten gestörten Ökosystemen.
  • Über 500 Vogelarten, dazu zahlreich Säugetiere und Reptilien.
  • Berühmt wurde 1959 der Dokumentarfilm "Serengeti darf nicht sterben" von Bernhard und Michael Grzimek.

  • © Text: Oliver H. Herde
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