Fahr Rad!

Von der besten Art, voranzukommen

Manchmal höre ich jemanden vom alltäglichen Stau auf den Straßen reden. Noch öfter gibt es Klagen über ausfallende Busse und Bahnen oder Fahrplanänderungen. Mich betrifft dies alles nicht, denn ich fahre innerhalb Berlins zu jeder Tages- und Jahreszeit mit dem Rad.
Überdachter Radparkplatz
Auch in unserem Kiez gibt es
vorbildliche Fahrradparkplätze.
Gewiss ist dies auch nicht immer die reinste Freude. Aber gegen Regen gibt es Kleidung und gegen böse Kraftfahrzeuge zunehmend mehr Radstraßen und Radspuren. Selbst Politik und Verwaltung haben inzwischen davon gehört oder doch wenigstens so ein vages Gefühl, dass der Verkehrsinfarkt in Großstädten auf der gesamten Welt letztlich nur mit dem Fahrrad zu verhindern ist, weil selbst der beste öffentliche Nahverkehr die Nachfrage nicht allein befriedigen kann.
Ich spreche bewusst nicht von Radwegen, da diese in aller Regel in schlechtem Zustand und für den Radfahrer gefährlicher als die Straße sein können. Bereits die Nähe zum sich der Verkehrsteilnehmerschaft oft nicht bewussten Fußgänger kann für kleinere Unfälle sorgen. Auch Kindern, Hunden, Falschparkern und Weihnachtsbäumen lässt sich dort nicht so leicht ausweichen wie auf einer Radspur.
Im Kiez haben wir so etwas leider noch nicht, statt dessen stellenweise Kopfsteinpflaster, das einen sicherheitsbewussten Radfahrer dann doch auf den Bürgersteig zwingt. Freilich sollte man sich dort klar darüber sein, für wen er ursprünglich angelegt wurde und weswegen er so heißt. Der Fußgänger kann ja nichts dafür, wenn der Radfahrer von der Verkehrsplanung mal wieder vergessen wurde.
Andererseits darf man sich natürlich auch umgekehrt wundern, wenn selbst der rücksichtsvollst langsame Radfahrer auf dem Bürgersteig noch zum Absteigen genötigt wird, obwohl er schiebend doch fast den doppelten Platz verbraucht. Bei solchen Begegnungen ist statt der abstrakten Verkehrsordnung eben Mitdenken gefragt.
Übrigens sind Radwege aus gutem Grunde nur dann benutzungspflichtig, wenn sie durch das entsprechende blaue Verkehrsschild ausgewiesen werden!

Schon wieder gewonnen!

Zum Hauptbahnhof schafft man es mit dem Rad bequem in 10 Minuten und hat dazu den Hauptteil der Strecke neu angelegte Radspuren. Mit der BVG sind es laut deren eigener Fahrplaninformation ganze 11 bis 25 Minuten - wenn der Bus pünktlich ist. Nun könnte man sich fragen, ob das mit einer irgendwann einmal existierenden S21 anders wäre, oder was man überhaupt am Hauptbahnhof will. Auch zum Humboldthain braucht man per Rad knapp 10 Minuten, mit dem VBB 19-30! Man muss eben immer auch Fußwege, Wartezeiten und gegebenenfalls Umsteigevorgänge mit einrechnen. Die häufigen Ausfälle, Schienenersatzverkehr und ähnliche Späße sind hier noch nicht einmal eingerechnet.
Machen wir es kurz: Wenn ich auf dem Rad mit meiner Gefährtin in den Öffentlichen um die Wette fuhr, habe bislang immer ich gewonnen, auch bei langen Strecken in ferne Bezirke. Natürlich musste ich stets auf die Gesellschaft von Betrunkenen, Kontrolleuren und Zeitungsverkäufern verzichten.

Gutes Rad ist nicht teuer!

Klar, ein Auto frisst viel Geld, noch bevor man es hat: Zunächst einmal zahlt man allerlei für den Erwerb eines Führerscheines. Danach kommen zum Kaufpreis des Wagens noch die Unterhaltskosten. Ökonomisch hat der PKW verloren; das müssen wir nicht weiter durchrechnen.
Und die Öffentlichen? Die werben damit, dass man bei ihrem Jahresabo gegenüber 12 Monatskarten rund 250 Euro sparen könne.
Mit dem Rad ganz ohne Öffentliche spart man allerdings fast 1000 Euro. Dafür kann man sich bequem jedes Jahr mehrere neue Fahrräder kaufen! Für Wartung und Regenschutz brauche ich selbst als Vielfahrer niemals auch nur ein Zehntel davon.
Die leichteren Reparaturen nehme ich selbst vor. Was mir zu kompliziert oder schmutzig wird, übergebe ich den Fachleuten. Davon haben wir sogar im Kiez welche, zu welchen ich schon allein wegen der Nähe gehe: die Brüder Bindseil in der Kiautschoustraße 20 (Mo-Fr 15-18, Sa 10-13 Uhr), deren Preise man als angemessen bezeichnen darf. Üblicherweise kann man sein repariertes Rad dort bereits spätestens am nächsten Tag abholen.

Alles fit?

Ich will nicht lange von Umwelt und Gesundheit faseln, auch wenn dies natürlich schöne Nebengründe sind, zum Drahtesel zu greifen. Dennoch muss ich ganz deutlich feststellen: Ohne das Radfahren würde es mir und meinem Kreislauf trotz allen Tanzens erheblich an Bewegung und frischer Luft mangeln. So nutzte ich die Öffentlichen selbst damals nicht, als ich wegen meines Studiums ein Semesterticket bezahlen musste.
Mit den Einkäufen hingegen wäre ich ohne mein Fahrzeug auf Dauer gewichtsmäßig überfordert. Auf dem Gepäckträger kann ich selbst mittelgroße elektronische Geräte wie Mikrowellen oder Computer transportieren - oder auch die Nahrungsmittel für mehrere Tage.

Freie Fahrt!

Für den Kiez würde ich mir weniger Ampeln zugunsten von Zebrastreifen wünschen. Man kommt sich doch recht dumm vor, ohne Querverkehr im Rotlicht herumzustehen. Gegen unverbesserliche Raser helfen Bremsschwellen dauerhafter als Verkehrskontrollen. Allerdings bitte wie am Nordufer nicht auf der gesamten Straßenbreite, denn für den Radfahrer sind die Dinger nicht ganz ungefährlich. Gegenüber den Autofahrern friedlicher wären natürlich Zebrastreifen, nur stellt sich das Verkehrsamt noch immer quer dagegen.
Überhaupt ist mir die Freiheit und Unabhängigkeit der wichtigste Vorteil am Fahrrad. Den sollte man nicht durch Überregelung zerstören. Denn letztendlich sind Aufmerksamkeit und gegenseitige Rücksichtnahme für die Sicherheit weit wichtiger als Verkehrszeichen und Helme.

HilfreichesMehr zum Thema
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Niederschlagsradar (Schnell los, oder warte ich lieber?)
ADFC - Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club
Radzeit - Regionale Zeitschrift in Berlin-Brandenburg
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Radfahren neben der Spur? (Weddingweiser)
Sinn und Nutzen von Fahrradhelmen - Zusammenfassung verschiedener Studien

Wie ich radfahren lernte
Weitere Links auf meiner Radseite

Dieser Artikel erschien auch im Kiezboten.

Leserkommentar von Eveline K.:
"Hab deinen Bericht im Kiezboten gelesen. Die Radwege sind manchmal so gefährlich, dass sogar ich als 76-jährige Alte lieber auf den gefährlichen Straßen fahre, wo die Laster an einem ganz dicht vorbeirauschen, um keinen Unfall zu haben. Es fehlen Platten auf den Radwegen, Baumwurzeln heben Platten so hoch, dass sie zu Stolperfallen werden, Bäume werden zum Radweg nicht ausreichend beschnitten; man kommt als Radfahrer nicht vorbei. Radwege werden nicht nur auf Hauptstraßen zugeparkt. Aber umgekehrt gibt es Straßen, wo kaum Platz für Radfahrer ist oder sie sind einfach zu gefährlich, besonders für die Altchen. Vor einiger Zeit bin ich aus diesem Grunde auf einem sehr breiten Gehweg gefahren. Promt wurde ich von Ordnungshütern sofort angepampt. Wäre an ihnen ein junger Mann vorbeigerauscht, ob der wohl angesprochen worden wäre? Solange nicht erhebliche Verbesserungen für Radfahrer geschaffen werden, kann man diese nicht abstrafen. Lediglich für Randale-Radfahrer: diese haben sich auf dem Gehweg unbedingt rücksichtsvoll zu verhalten."


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Oliver H. Herde