Was man einer Elfin schenkt

von Oliver H. Herde

»Nanu?« Nig blickte seinem vor der Türe stehenden Überraschungsgast ins verlegene Antlitz. Bloß, weil sie zu derselben Sondereinsatzgruppe gehörten, hatte ihm dies bislang keine Besuche des Majors eingetragen. Dennoch bat der Elf den Menschen mit einer einladenden Geste herein.
»Du musst mir helfen, Nig! Was schenkt man einer Elfin? Blumen?« Der Vorschlag kam Arrog selbst nicht besonders geistreich vor. Obwohl er zum ersten Male in Nigs und Arnwinas Wohnung war, schaute er sich doch kaum um. Seine Gedanken hafteten ganz an dem Problem, welches ihn hergeführt hatte.
»Autsch!« meinte Nig beim Setzen, als hätte er soeben eine verlorene Nadel wiedergefunden - oder als verspüre er rückseitig das Stechen einer solchen Pflanze, möglicherweise eines dornenbewährten Exemplares. Dass Arrog sich offenbar trotz einer gewissen allgemeinen Abneigung gegen elfische Verrücktheiten in seine Kollegin Linaria verlieben könnte, schwebte ja schon etwas länger in der Luft, doch auch ohne diese geistige Vorbereitung hätte sich Nig ohne Umschweife auf Arrogs Anliegen konzentriert. »Davon muss ich dringendst abraten! Blumen für die Dame... an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten! Ganz abgesehen davon, dass sich keine Elfin ernsthaft als Dame bezeichnen würde. Nein, weißt du, Blumen... da müsste man schon sicher wissen, dass sie so etwas besonders mag und nicht allergisch dagegen ist. Kennst du ihre Lieblingsfarbe?«
Arrog verneinte.
»Auch dürften sie keinen zu intensiven Geruch verstömen und auf keinen Fall geschnitten sein! Tote Pflanzen zu schicken, galt bei uns seit Urzeiten als Feindschaftserklärung! Natürlich würde sie die Geste nicht missverstehen, aber freuen könnte sie sich darüber sicher nicht sonderlich. Dir zuliebe würde sie die in irgendeiner Kanne hinstellen und den Verwesungsgeruch ertragen, bis die Blüten abfallen.«
Arrog wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, Linaria beinahe auf diese Weise belastet zu haben.
»Wenn du überhaupt bei Pflanzen bleiben willst, nimm etwas, das noch lebt und im Freien überleben kann.«
»Im Freien?«
»Ja, natürlich! Sonst muss sie es ja dauernd gießen! Eine gesunde Pflanze sollte nicht gepflegt werden müssen - oder pflegt man gesunde Menschen? Zumal die Erde in diesen kleinen Topfgefängnissen quasi immer unter irgendwelchem Pilzbewuchs steht, was den Atemwegen ja nicht gerade förderlich ist. Mit jungen Bäumen kann man eigentlich nichts falsch machen - wenn sie einen Platz dafür hat.«
»Und was könnte man ihr sonst noch schenken?« lenkte Arrog von diesem missratenen Thema fort.
»Das kommt ganz auf ihre Freizeitgestaltung an. Was sie sicher nicht braucht, sind Dinge, die man überall herumliegen findet oder als Werbegeschenk aufgedrängt bekommt, wie Schreibzeug, Kalender und Notizblöcke. In dem Zeug erstickt man langsam. Für dekorative Gegenstände zum Aufhängen oder Hinstellen gilt übrigens prinzipiell dasselbe. Staubfänger! Es sei denn, sie sammelt etwas.«
»Und Musik?«
»Ja, sicher - wenn du weißt, was sie gerne hört, aber noch nicht hat...«
Arrog stöhnte entmutigt. So gut kannte er Linaria noch nicht - das wollte er ja gerade ändern! »Ist das kompliziert! Schenkt ihr Elfen euch denn nie was?«
»Wenig und nicht zu festen Anlässen.«
»Und was?«
»Zum Beispiel Dinge, die man nicht mehr braucht, aber von denen man weiß, der andere kann damit noch was anfangen. Man muss kein Geld ausgeben, um jemandem eine kleine Freude zu machen. Aber man muss den Beschenkten gut kennen! Schenke aber nicht wegen eines Anlasses oder als Liebesbeweis, sondern nur dann, wenn das Geschenk selbst dazu rät!«
»Vielleicht lade ich sie lieber einfach mal zum Essen ein«, erklärte Arrog resignierend.
Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf dem schmalen Antlitz des Elfen aus; offenbar hatte der Mensch verstanden und diesen Unsinn mit dem nicht von allein auftauchenden Geschenk abgelegt. »Klar, dann lernt sie schon mal deine Wohnung kennen.«
»Oh, ich dachte an ein nettes Lokal...«
»Dann pass bloß auf, dass sie dich nicht für einen Verschwender hält! Jedenfalls ist es Zuhause doch immer noch am gemütlichsten.«
Arrog schnaufte verzweifelt. Warum hatte er sich ausgerechnet in eine Elfin verlieben müssen!?

Kurzgeschichten / Projekt Caniron

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