Appianos von Alexandreia

Bürgerkriege 2,115-118 = 2,479-495

Ermordung Caesars

2,115/479) Die Verschwörer ließen sich durch diesen Hinweis völlig umstimmen und warteten die nächste Senatssitzung ab. Caesar aber ging am Tag davor zu einem Mahl bei Lepidus, seinem Magister Equitum. Dazu nahm er den Decimus Brutus Albinus mit, um Umtrunk zu halten, und stellte, während der Becher kreiste, die Frage: »Was ist die beste Art zu sterben?« Während die einen diese, die anderen jene Ansicht äußerten, pries Caesar selbst von allen den plötzlichen Tod.
480) So kündete er sein eigenes Ende an und redete von dem, was sich am folgenden Tage zutragen sollte. In der Nacht nach dem Trinkgelage erlitt Caesar einen Schwächeanfall, seine Gemahlin Calpurnia {RE 126} aber sah ihn im Traum von viel Blut überströmt und versuchte, ihn vom Ausgang abzuhalten. Auch als er ein Opfer darbrachte, ereigneten sich mehrfach für ihn schreckenerregende Vorzeichen.
481) Schon wollte Caesar Antonius entsenden, um die Senatssitzung zu beenden, doch Decimus, der bei ihm weilte, vermochte ihn mit dem Hinweis zu überreden, er solle doch nicht den Vorwurf einer Geringschätzung gegenüber dem Senat auf sich laden, vielmehr selbst in die Curie kommen und die Sitzung beenden. Und so ließ sich Caesar in einer Sänfte dorthin bringen. Es fanden gerade Spiele im Theater des Pompeius statt, und der Senat war eben dabei, sich in einem der Nachbargebäude zu versammeln, wie es während der Spiele in der Regel geschah.
482) Brutus und Cassius hielten sich von Tagesbeginn an in der Säulenhalle vor dem Theater auf und verhandelten in ihrer Eigenschaft als Praetoren ohne irgendein Zeichen von Unruhe mit den Parteien, welche ihre Dienste in Anspruch nahmen; als sie aber von den schlimmen Vorzeichen, die Caesar zuteil geworden waren, sowie vom Aufschub der Senatssitzung hörten, fühlten sie sich zutiefst verunsichert.
483) Unter diesem Schock fasste irgendeine Person (P. Servilius {RE 53}) Casca (Longus) bei der Hand und meinte: »Du hast mir, wiewohl ich dein Freund bin, nichts gesagt, Brutus hingegen hat mir alles mitgeteilt.« Casca war durch den »Mitwisser« augenblicklich verwirrt, doch der Sprecher lächelte nur dazu und fuhr fort: »Woher willst du nun das Geld bekommen, um dein Aedilenamt zu bestreiten?« Nun erst kam Casca wieder zu sich.
484) Während sich Brutus und Cassius in sorgenvollen Gedanken gegenseitig besprachen, zog sie ein Senator namens Popil(l)ius {RE 15} Laenas zur Seite und erklärte, er bete gemeinsam mit ihnen um das, was sie im Sinne hätten, und forderte sie dann auf, rasch zu handeln. Beide gerieten zwar über diese Worte in große Bestürzung, blieben aber vor Schrecken stumm.
116/485) Caesar wurde nun tatsächlich in den Senat getragen. Indessen eilte einer seiner Vertrauten, der von dem Anschlag erfahren hatte, zu seinem Haus und wollte sein Wissen mitteilen. Er traf dort jedoch nur Calpurnia, erklärte daraufhin lediglich, dass er mit Caesar in dringenden Angelegenheiten sprechen wolle, und wartete dann seine Rückkehr aus dem Senat ab; er war nämlich nicht in alle Einzelheiten bis zum letzten eingeweiht.
486) Mittlerweile stürzte Artemidoros {RE 28}, sein Gastgeber auf Knidos, in den Senat, fand aber Caesar erst in dem Augenblick, als er ermordet wurde. Von einem anderen Manne war Caesar, als er nach einem Opfer vor dem Senatsgebäude eben eintreten wollte, ein Schriftstück mit Angaben über die Verschwörung überreicht worden, das dann noch in den Händen des Toten gefunden wurde.
487) Unmittelbar beim Aussteigen aus der Sänfte ging Popil(l)ius Laenas, der kurz zuvor sein Gebet mit dem des Cassius und seines Kreises vereinigt hatte, auf Caesar zu und führte eifrig mit ihm eine persönliche Aussprache. Der Anblick dieses Vorgangs und die Dauer der Begegnung erfüllten die Herzen der Verschwörer sogleich mit Entsetzen, und sie machten einander schon Zeichen, wonach sie einer Festnahme durch Selbstmord zuvorkommen wollten. Als sich aber dann das Gespräch noch weit in die Länge zog und sie feststellen konnten, dass Laenas nicht so sehr den Eindruck mache, wie wenn er etwas verraten als vielmehr sich für jemand einsetzen und seinem Gesprächspartner schön tun wolle, atmeten sie erleichtert auf und, da sie gar noch sahen, dass Laenas sich nach der Unterredung bedankte, faßten sie neuen Mut.
488) Nun war es Sitte, dass Magistrate im Begriff, den Senat zu betreten, darüber Vorzeichen einholten. Und wiederum hatte hier Caesars erstes Opfertier kein Herz oder es fehlte, wie einige behaupten, der obere Teil der Eingeweide. Als daraufhin der Haruspex erklärte, das Zeichen bedeute Tod, lachte Caesar und sagte, ihm sei auch schon in Spanien während des Kriegs gegen Pompeius solch ein Omen zuteil geworden.
489) Jetzt aber, erwiderte der Opferschauer, weise das Zeichen noch deutlicher auf den Tod, nachdem sich Caesar damals schon offensichtlich in großer Gefahr befunden habe. Dies bewog Caesar, den Befehl zur Wiederholung des Opfers zu geben, indessen auch dann fiel kein Opfer günstiger aus. Nun aber schämte sich Caesar, den Senat weiter warten zu lassen, und von seinen als Freunden verkappten Feinden gedrängt, betrat er den Saal, ohne sich weiter um die Opfer zu kümmern.
117/490) Die Verschwörer hatten den Trebonius, einen Mann aus ihrem Kreise, zurückgelassen, um Antonius vor der Türe in einem Gespräch festzuhalten. Caesar aber nahm auf seinem Stuhle Platz, während ihn die anderen wie Freunde mit versteckten Dolchen umringten.
491) Nun trat einer von ihnen, Tillius Cimber, dicht vor sein Antlitz hin und bat um die Rückberufung seines verbannten Bruders. Als der Angesprochene die Sache aufschob und einen gänzlich abschlägigen Bescheid erteilte, fasste ihn Cimber an seiner purpurnen Toga, so wie wenn er seiner Bitte noch mehr Nachdruck verleihen wolle, und zog das Gewand ringsum über Hals und Kopf weg, wobei er schrie: »Was zögert ihr denn noch, meine Freunde?«
492) Nun zielte als erster Casca, der zu Häupten Caesars stand, auf seine Kehle, glitt jedoch ab und traf nur in die Brust. Caesar aber entriss seine Toga Cimbers Händen, packte Casca bei der Hand, sprang von seinem Stuhl, drehte sich um und schleppte ihn mit Riesenkraft hinter sich her.
493) In dieser Haltung stach ihm ein anderer mit dem Dolch in die infolge der Drehung angespannte Seite. Cassius verwundete Caesar im Gesicht, Brutus traf den Schenkel und Bucolianus den Rücken. Wie ein wildes Tier wandte sich Caesar in Wut und mit lautem Geschrei gegen den einen und anderen seiner Angreifer, nach Brutus' Streich aber {...} gab er schließlich die Hoffnung auf, hüllte sich in sein Gewand und fiel in würdiger Haltung neben dem Standbild des Pompeius zu Boden. Die Verschwörer aber setzten auch nachdem er schon gefallen war ihr frevelhaftes Tun fort, bis man 23 Wunden zählte. Viele der Angreifer fügten sich, während sie mit den Schwertern zustießen, auch gegenseitig Verletzungen zu.
118/494) Als die Mörder an einem so heiligen Ort und einer geheiligten, unverletzlichen Person ihre furchtbare Freveltat begangen hatten, begann sogleich im Senatsgebäude wie über die ganze Stadt hin eine allgemeine Flucht. In dem Tumult trugen einige Senatoren Wunden davon, andere fanden sogar den Tod.
495) Auch viele sonstige Bürger und Fremde wurden ermordet, nicht aus Absicht, sondern wie es eben bei einem Volksgetümmel und aus Unkenntnis derer geschieht, denen man gerade in die Hände fällt. Gladiatoren nämlich, von früh morgens an für eine Schaustellung des Tages gerüstet, stürmten aus dem Theater heraus bis zu den Barrieren vor der Curie; auch die Masse der Zuschauer löste sich in Hast und Schrecken auf, und sogar die Märkte wurden geplündert. Alle Leute verriegelten ihre Häuser und richteten sich auf den Dächern zur Verteidigung ein.


Quellenliste