Caesar in Britannien Erkundungsfahrten für den Germanenkrieg "Fahrt bis Thule!" Die Quellen des Nils Römer in China Quellen * Literatur * Fußnoten |
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Genau betrachtet, entspricht der Titel dieser Arbeit nicht ganz der historischen Realität. Wenngleich die Römer im Zuge ihrer Eroberungen in Einzelexpeditionen bis in die Ostsee, bis südlich der Sahara und - in Gestalt fahrender Händler - gar bis nach China vordrangen, so war es doch nie in erster Linie der Entdeckungsgeist, der sie dazu veranlasste. Zumeist handelte es sich um militärisch motivierte Erkundungen, seltener auch um solche aufgrund von Handelsabsichten oder einfach um eine Irrfahrt.
Die Römer glänzten als Krieger, Staatsmänner und Juristen; die Wissenschaft überließen sie anderen.
Bereits Polybios klagte über die geographische Unwissenheit der Römer.1 Er unternahm für seine Historien - eine römische Geschichte in 40 Büchern - ausgedehnte Reisen nach Spanien, Gallien, in die Alpen, nach Pontos, Syrien und Ägypten. Aber er war ja auch Grieche.
Die Motive ungeachtet, leistete manch ein römischer Feldherr Großes für die Geographie. Von jenen und anderen weitgereisten Römern soll hier in Auszügen berichtet werden.
Caesar in Britannien
Nicht genug damit, dass Gaius Iulius Caesar mit Gallien ein kaum bekanntes Land eroberte und gar einen kurzen, wenn auch anscheinend missglückten Vorstoß über den Rhein unternahm. Die ständigen Hilfstruppen, die aus Britannien die gallischen Bruderstämme unterstützten, veranlassten ihn, auch dort die römische Militärmacht zu präsentieren.2 Ob er darüber hinaus auf eine Eroberung der Insel spekulierte, ist nicht belegt.
Im Vorfeld wurden Händler befragt, die jedoch nur spärliche Auskünfte über Britannien erbrachten. Caesar glaubte ihnen, wie er sagt, dass sie nichts über Ausmaße und Völkerschaften der Insel wüssten.3 Doch bestanden die Handelsbeziehungen schon zu lange, als dass diese Behauptung der Handelsleute realistisch erscheint. Vermutlich wollten sie lediglich ihre Beziehungen nicht verraten und nicht auf ihre alleinige Kenntnis, die ihnen so viel Gewinn erwirtschaftete, verzichten.
So schickte Caesar den Offizier Gaius Volusenus mit einem einzigen Kriegsschiff voraus, die Lage zu erkunden. Caesar selbst sammelte seine Truppen und Schiffe dort, wo er die Überfahrt am kürzesten vermutete. Nachdem sich bereits britische Stämme freiwillig unterworfen hatten, wurde bei günstigem Wetter mit wohl deutlich über 100 Schiffen ohne Zwischenfälle nach Britannien übergesetzt. Dies geschah im August 55 v.u.Z..
Es folgte ein kurzer erfolgreicher Kriegszug. Vier Tage später wurden 18 Schiffe mit Reitern erwartet. Diese jedoch gerieten in einen Sturm, dass 12 besonders beschädigte Schiffe später ausgeschlachtet werden mussten, um Material für die Reparatur der anderen zu bekommen. Auch später wurde die Flotte durch widrige Winde und Strömungen bei ihrer Rückkehr nach Gallien im September 55 behindert, ohne jedoch ernsten Schaden zu nehmen.
Im Folgenden beschreibt Caesar kurz die Insel und ihre Bewohner.4 Dabei muss berücksichtigt werden, dass sein Zug nur bis zur Themse gelangte. Alle Angaben die jenseitiges Gebiet betreffen, bekam Caesar nur durch Hörensagen.
Unter dem Vorwand, es habe zu wenig Geiseln gegeben, unternahm Caesar einen zweiten Kriegszug nach Britannien im Sommer 54. Mögen beide Expeditionen auch nicht ungewöhnlich erfolgreich gewesen sein, so war doch Caesars Reiseleistung für damalige Verhältnisse enorm. Seit der in der Antike oft als unwahr abgetanen Fahrt des Pytheas zu den Zinninseln Britannien 300 Jahre zuvor hatte es keinen Bewohner der Mittelmeerwelt hierhin verschlagen.
Erkundungsfahrten für den Germanenkrieg
Drusus, jüngerer Bruder des späteren Kaisers Tiberius, rückte in den Jahren 12 bis 9 v.u.Z. über die Weser bis an die Elbe vor. Er legte die ersten Kastelle im freien Germanien an und wagte sich als erster Römer in die Nordsee. Zumeist hielt er sich dortjedoch mit seiner Flotte dicht an der germanischen Küste. In Unkenntnis der Gegend blieben einmal während der Ebbe die Schiffe im Watt liegen und konnten nur mit Hilfe befreundeter Friesen wieder befreit werden.5
Sein Bruder Tiberius Claudius Nero war im Jahre 5 u.Z. Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Germanen. Während er selbst an der Elbe operierte, ließ er vermutlich im Hochsommer eine Flotte die Ausdehnung der Germanen im Norden erkunden. Die Expedition startete "an der Rheinmündung".6 Man glaubte, "ad solis orientis regionem" - in östlicher Richtung also - zu fahren,7 in Wirklichkeit wird es eine nordöstliche gewesen sein. Die Flotte gelangte zum Kimbern-Kap8, querte das Skagerrak und landete schließlich an der Küste von Götaland oder Telemarken, wo sie ein überfeuchtes Land ohne militärischen oder wirtschaflichen Nutzen vorfand.9 Deshalb kehrte man um und stieß über die Elbmündung zu Tiberius.
Hin- und Rückfahrt erfolgten ohne große Zwischenfälle, was dem besonders guten Wetter zu verdanken war. Aber auch auf dieser Fahrt saßen die Schiffe mehrmals bei Ebbe auf dem trockenen.
Hatte bereits im Jahre 9 die berühmte Varusschlacht im Teutoburger Wald den Römern einen schweren Schlag gegen das selbstbewusste Auftreten in Germanien versetzt, so sollte ein anderes Ereignis die römischen Interessen hier endgültig auf längere Zeit hinaus lähmen.
Des Tiberius Sohn Drusus Germanicus fuhr mit einer Flotte die germanische Küste entlang, als man in ein schweres Unwetter geriet. Die Flotte wurde weit verstreut. Man musste Ballast abwerfen, um nicht zu sinken. Alles wurde über Bord geworfen, schließlich selbst die mitgeführten Pferde. Einige Schiffe sollen auf dem Meer an Säulen des Herakles vorbeigeschwemmt worden sein. Vermutlich wurde hier Helgoland gesichtet, da es dort die einzigen steilen Klippen in dieser Gegend gibt und der Hauptinsel ein weißer Nebenfelsen vorgelagert stand. Das Gipsgestein wurde von den neuzeitlichen Inselbewohnern abgetragen und verkauft, bis den kläglichen Rest 1711 eine Sturmflut fortspülte.10
Der Geschichtsschreiber Tacitus beschreibt in seinen Annalen den Vorfall:11 "Wie sich der Ozean durch Wildheit und Germanien durch unfreundliches Klima vor anderen Ländern auszeichnet, so übertraf jenes Unglück durch Neuartigkeit und Umfang jede Vorstellung." Das dürfte sicher als übertrieben zu betrachten sein, doch zeigt es deutlich die Sicht der Römer auf, die nie gerne zur See fuhren und das ruhigere Mittelmeer gewohnt waren.
Durch Glück wurde des Drusus Schiff an die gallische Küste verschlagen, von wo aus er nach Abzug des Sturmes nach den vermissten Schiffen und Besatzungen suchen ließ. Einige hatte es bis nach Britannien getrieben, andere mussten von den befreundeten germanischen Ampsivariern anderen Stämmen aus dem Binnenland abgekauft werden.
Die Beschreibungen der Legionäre strotzen von furchtbaren Meeresungeheuern. Einige hatten bis zu ihrer Rettung von angeschwemmten Pferdekadavern leben müssen. Es war ein ebenso traumatisches Ereignis wie die Teutoburger Schlacht. Man zog sich wieder hinter den Rhein zurück.
"Fahrt bis Thule!"
Noch während Gnaeus Iulius Agricola, der Schwiegervater des Tacitus, Statthalter in Britannien war, wurde eifrig diskutiert, ob es sich dabei denn wirklich um eine Insel handele. Dies nämlich ging aus dem schon erwähnten Reisebericht des Pytheas von Massilia hervor. Es waren also abermals in erster Linie militärische Zwecke, die Agricola erzielte, als er 84 eine Expedition aussandte, die Wahrheit festzustellen, Britannien wenn möglich zu umfahren und nicht umzukehren, bevor man nicht Thule erreicht habe. Letzteres war eine Insel aus des Pytheas Bericht, von der bis heute nicht sicher ist, welchen Ort er gemeint haben mag.
Die Flotte fuhr wie Pytheas die Ostküste Britanniens entlang nach Norden, bis man deren Ende erreichte. Gemäß Agricolas Weisung stieß man weiter nördlich an den Orkaden12 vorbei, Thule zu finden. Tacitus, der uns diese Fahrt schildert, spricht von einem unbeweglichen Meer, in das man gelangt sei.13 Ob die Expedition jedoch so weit gekommen ist, dass das Meer gefroren wäre, oder was sonst damit gemeint sein könnte, bleibt fraglich. Tacitus mag Gerüchten aufgesessen sein, die man über den Rand des Okeanos erzählte. Doch auch dies scheint nicht endgültig einleuchtend bei einem so nüchternen Autor.
Jedenfalls bekamen die Römer bald genug von ihrer Aufgabe und erklärten, um zurückkehren zu können, kurzerhand die nächstbeste in Sicht kommende Insel für Thule, ohne dort auch nur anzulanden. Vielleicht berichteten die Flottenkommandanten von unbeweglicher See, um ihre Leistung zu vergrößern und die Behauptung, Thule entdeckt zu haben, zu untermauern.
Um die Umsegelung der Insel zu komplettieren, fuhr man auf westlicher Seite Britanniens wieder südwärts.
Die Quellen des Nils
In der Antike hielt man es für unmöglich, die Quellen des Nils zu erreichen. Dennoch wurde es immer wieder versucht.
So berichten Seneca und Plinius von zwei Centurionen, die sich im Jahre 60 unter Kaiser Nero auf die freilich erfolglos gebliebene Suche machten.14 Vermutlich sollten sie das Land zur Vorbereitung eines Kriegszuges erkunden, doch mag es dem Kaiser auch um die Erlangung des Ruhmes gegangen sein, das Unmögliche möglich zu machen. Leider verraten uns weder Seneca noch Plinius die Namen jener Centurionen. Immerhin stießen diese in Gegenden vor, die nach ihnen von Europäern erst wieder 1841 betreten wurden.15
Ptolemaios berichtet übrigens quasi in Nebensätzen von einem Diogenes, der als erster die Nilseen erreicht haben soll.16 Von ihnen glaubt Ptolemaios, sie seien die Quellen des Nils. Noch beiläufiger findet ein Dioskoros Erwähnung, den es noch weiter südlich verschlagen habe.17
Ein großes Rätsel für die Alten war die jährliche Nilschwemme. Es gab viele Theorien darüber. Darauf, dass es so weit im Süden Schnee geben könne, der schmelze, kam man zum Beispiel erst spät. Aber auch diese Erklärung widerlegte bereits Seneca. Die Schwemme hätte dann nämlich schon viel früher - im Frühling - geschehen müssen, nicht erst im August bis Oktober.
Eine der bemerkenswertesten, weil absurdesten Erklärungen ist uns durch Pseudo-Plutarchos von einem gewissen Ephorus überliefert:18 Letzterer vermutete, die Schwemme werde im Sommer durch die Schweißmassen der Bewohner hervorgerufen, die den Nil tränkten.
Die tatsächliche Erklärung dagegen erscheint enttäuschend banal: Es waren ganz einfach die großen Sommerregen in Äthiopien, die den Blauen Nil füllten.
Römer in China
Noch von vielen anderen Fahrten und Expeditionen ins Atlasgebirge, auf die Ostsee, in den Sudan zum Tschadsee oder gar nach Ceylon hin wäre zu berichten, doch soll im Folgenden nur noch auf die größte Reiseleistung, was die Entfernung angeht, eingegangen werden: Den Weg nach China.
Schon lange interessierte man sich vor allem in Händlerkreisen für die Herkunft der Seide. Doch die Seidenstraße - den Weg der Seide von China nach Europa - zurückzuverfolgen, blieb den Römern unmöglich, solange das Partherreich im Wege lag. Erst als die Parther unter Traianus hinter den Tigris zurückgedrängt wurden, konnten Händler des Römischen Reiches ihre Fühler weiter nach Osten ausstrecken. So ist es nicht verwunderlich, wenn Ptolemaios von einem makedonischen Seidenhändler jener Zeit berichtet.19 Jener Maës Titianus habe den Landweg zu den Quellen der Seide beschrieben. Auch wenn der Kaufmann sicher nicht persönlich so weit gelangt ist, so reicht seine Kunde doch bis zu einer Stadt, die Ptolemaios 'sera metropolis' nennt.20 Ob dies jedoch die damalige chinesische Hauptstadt Honanfu, die vorherige Singanfu oder Lantschou, den Hauptumschlagsort der Seide bezeichnet, ist ungewiss. Auch einige andere Städte werden in der Forschung diskutiert.
Eine erste Kunde von römischen Bürgern in China erhalten wir von den Chinesen selbst. In den Hou-han-schu, den Annalen der jüngeren Han-Dynastie, berichtet uns der Schreiber Fan-jeh21, der Herr des Landes Shan22 habe dem Kaiser An-ti Leute aus Ta-tsin "angeboten". Dieses Ta-tsin ist mit dem Römischen Reich zu identifizieren. Vermutlich handelte es sich um fahrende Leute, vielleicht Gaukler aus Syrien oder Alexandreia, die irgendwie auf dem Landwege ins innere Birma gelangten. Offenbar wurden sie dort gefangen genommen und 120 dem chinesischen Kaiser als Geschenk, möglicherweise auch als eine Art Tributzahlung übergeben. Im nächsten Jahr boten sie dem Kaiser selbst ihre Künste dar. Berichtet wird unter anderem von Feuerspeien und allerlei Zauberkunststücken.
Im Jahre 166 soll nach den Hou-han-schu eine offizielle Gesandtschaft aus Ta-tsin nach China gelangt sein, ausgeschickt vom König Antun.23 Hier wird man den Namen Antoninus vermuten dürfen, den Kaiser Marcus Aurelius als Beinamen führte.
Der Schreiber gibt den Bericht dieser Gesandtschaft über Rom etwa so wieder: Es sei sehr ausgedehnt, habe viele Städte und eine große Zahl unterworfener Länder. Die Mauern der Stadt bestünden aus Stein. Es gebe Wirtshäuser an den Straßen. Rom selbst habe 100 Li24 Umfang. Dann folgt eine Erwähnung der Trommler, Fahnen und Zelte, die im Kriege verwendet werden. Schließlich ist vom Reichtum des Landes die Rede. All dies sollte sicher die Macht Roms darstellen und somit den Wert der Gesandtschaft hervorheben.
Befremdlicher für die Chinesen mag der Bericht gewesen sein, die Könige Roms würden gewählt. Hier mag ein Missverständnis zugrunde liegen, da vermutlich die Konsuln gemeint waren. Eine Anspielung auf die Adoptivkaiser mutet weniger wahrscheinlich an.
Auch andere Merkmale sind dem Schreiber berichtenswert: Die Römer scherten sich die Haare, was sie von barbarischen Völkern absetzte. Sie trügen schöne Kleider, seien ehrlich und benützten keine zwei Preise.
Da zu dieser Zeit die Pest in An-hsi, dem Partherreich wütete, hatte man China wohl über den Seeweg erreicht. Vom Zeitpunkt der Gesandtschaft an habe direkter Verkehr mit dem Lande Ta-tsin bestanden.
Eine kleine Wende nimmt der Bericht über die Gesandtschaft, als die mitgebrachten Geschenke aufgeführt werden: Elfenbein, Rhinozeroshorn und Schildpatt25. Es wird bemängelt, dass keine Edelsteine unter den Geschenken seien. So vermutet der Schreiber, diese seien von den Gesandten unterschlagen worden.
In der Tat scheinen die Gastgeschenke dürftig für einen römischen Kaiser, zumal von der Macht eines Marcus Aurelius Antonius. Die Erklärung hierfür ist jedoch wohl eine gänzlich andere, als die von den Chinesen gemutmaßte. Da von römischer Seite her nicht die leiseste Erwähnung dieser Unternehmung überliefert ist, kann man annehmen, dass Marcus Aurelius auch nichts davon wusste. Hennig vermutet einen Schwindel syrischer Kaufleute, die sich als hochherrschaftliche Delegation ausgaben, um ihre Chancen auf gewinnbringenden Handel zu vergrößern.26 Die Geschenke, die sie überbrachten, sind durchweg asiatischer Herkunft, vermutlich also erst kurzfristig eingekauft worden. Dass der Schwindel dennoch zum gewünschten Erfolg führte, beweist die Anmerkung über den folgenden direkten Verkehr. Auch gibt es zahlreiche Funde römischer Münzen in China.27
Dennoch kann abschließend auch noch kurz auf eine wirkliche Gesandtschaft Roms nach China verwiesen werden. Sie gelangte 284 an ihr Ziel und war vermutlich von Kaiser Probus beauftragt worden.28
© OHH April 1996, geringfügige Korrekturen 2013 | Elf und Adler Verlag |