Die Kosmologie des Klaudios Ptolemaios

unvollendeter Aufsatz von Oliver H. Herde

Zur Person
Werke
Mathematike Syntaxis
Überlieferung
Aufbau der Syntaxis
Die Gestalt des Himmelsgewölbes
Gestalt und Position der Erde
Lage des bewohnten Gebietes auf der Erde
Reihenfolge der Sphären
Quellen * Literatur * Fußnoten

Zur Person

Klaudios Ptolemaios wurde um 85/90 unserer Zeitrechnung in Ptolemais Hermeiu in der Thebaïs in Ägypten geboren. Über sein Leben gibt es nahezu keine Details, die Hauptquelle bildet er selbst indirekt durch seine Schrift 'Sytaxis Mathematike', indem er zum Beispiel angibt, auf welchen Zeitraum sich seine Beobachtungen berufen. Gestorben ist er etwa in den Jahren 165 bis 170, laut Abulwafa im Alter von 78 Jahren.1
Es wird vermutet, dass Ptolemaios in der Frühzeit seines Schaffens teilweise den eigenen Messergebnissen zugunsten seiner Vorgänger - zum Beispiel des Hipparchos von Nikaia (2. Jh. v.u.Z.) - misstraute. Später beobachtete er nach dieser Annahme mehr und genauer, statt sich vor allem auf reine Berechnungen zu stützen. Wahrscheinlicher aber ist jene andere Variante, in welcher er überhaupt sehr viel weniger eigene Messungen anstellte, als er selbst vorgab. Zudem ignorierte er Werte, die nicht in sein Weltbild hineinpassten.
Immerhin nennt Ptolemaios an mehreren Stellen die Namen seiner Vordenker, auf die er sich bezieht. Zu seinen Hauptquellen zählen neben Hipparchos auch Apollonios von Perge (3./2. Jh. v.u.Z.) und Eudoxos von Knidos (4. Jh. v.u.Z.).
Trotz der wissenschaftlichen Mängel verstand es Ptolemaios, seine Schilderungen eingehend und allgemeinverständlich zu halten. Hierdurch und durch den hohen praktischen Nutzen insbesondere vieler Tafeln und Anleitungen blieb er über viele Jahrhunderte bis in die Neuzeit eine vielzitierte Autorität auf astrologischem wie geographischem Gebiet.

Werke

Das vermutlich erste Werk des Ptolemaios war die Mathematische Zusammenstellung (Syntaxis Mathematike / Almagest), welche er irgendwann in den Jahren 141 bis 147 fertiggestellt haben muss. Darin erläuterte er sein Weltbild und legte diesem allerlei Berechnungen und Tafeln bei. Die Syntaxis wird weiter unten noch im Einzelnen behandelt werden.
Wohl im Jahre 147 oder 148 entstand die Kanobosinschrift. Sie ist eine mit Zahlen versehene Stele, welche eine Sphärenharmonie darstellt. Den Planeten werden dabei die Seiten einer Lyra zugeordnet. Die Zahlenwerte enthalten bereits erste Korrekturen beziehungsweise Verbesserungen gegenüber der Syntaxis.
Später entstanden die Handlichen Tafeln (Procheiroi Kanones) mit weiteren Verbesserungen. Sie enthalten Daten für sämtliche denkbaren astronomischen Berechnungen.
In den noch später entwickelten Hypothesen der Planeten (Hypotheseis ton Planomenon) veranschaulicht Ptolemaios die Planetenbewegungen, ergänzt durch allerlei Verbesserungen. Zudem stellt er ein 41-Sphären-Modell auf.
Ebenfalls erst nach den Handlichen Tafeln entwickelte Ptolemaios seine Geographie.
Schließlich gibt es noch eininge kleinere überlieferte Schriften des Ptolemaios (z. B.: Phasen der Fixsterne, Über das Analemma). Verloren hingegen ist unter anderem ein Werk, in dem er zu beweisen suchte, dass es nicht mehr als drei Dimensionen geben kann.

Mathematike Syntaxis

Ptolemaios stellte sein erstes großes Werk in den 140er Jahren während der Regierungszeit des Kaisers Antoninus Pius fertig und nannte es "Mathematische Zusammenstellung in dreizehn Büchern" (Mathematikes Syntaxeos biblia iy). Er erklärte darin höchst detailliert und anschaulich, wie man sich den Aufbau der Welt nach seinem Wissensstand vorzustellen habe. Sie fußt nach seinen Angaben auf Beobachtungen aus den Jahren 127-141, sowie auf den Kenntnissen seiner Vorgänger.

Überlieferung

Im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde das Werk durch die von der christlichen Reichskirche verfolgten Nestorianer ins Perserreich gebracht und ins Syrische übersetzt.
Kalif Harun al-Raschid (786-809) veranlasste eine Übersetzung ins Arabische, doch gefiel ihm die erste durch den Wesir Jahja nicht. Die zweite erfolgte durch Abu Hazan und Salmus. Eine spätere berühmte Übersetzung stammt von Mohammed ben Geber al-Batani (~880-928), die als Vorlage für Gerhard von Cremonas lateinische Fassung von 1175 diente.
Schon zuvor - im Jahre 1158 - erhielt eine gesandtschaft des Normannenkönigs Wilhelms I. eine griechische Abschrift des Kaisers von Byzanz Manuel I. Komnenos. Auch diese Ausgabe wurde direkt ins Lateinische übersetzt.
Die erste Teilübersetzung ins Deutsche - nämlich nur die des Sternenkataloges - erfolgte 1795 durch Johann Elert Bode. Das Gesamtwerk erschien erst 1911 auf deutsch durch Karl Manitius.
Die zahlreichen anderen Übersetzungen und diversen Kommentare sollen an dieser Stelle nicht Aufzählung finden. Doch war die Syntaxis noch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts das maßgebliche Lehrbuch für Astrologen.
Heute ist die Syntaxis vielfach eher unter dem Namen Almagest bekannt. Dies beruht auf dem Umstand, dass sie schon früh als 'Megale Syntaxis', also als 'Große Syntaxis' bezeichnet wurde. Die arabische Überlieferung machte daraus Megiste (die Größte) und setzte einfach den arabischen Artikel davor: Al-Megiste, woraus sich die Bezeichnung 'Almagest' entwickelte.

Aufbau der Syntaxis

1. Buch: Grundaufbau des Ptolemaischen Weltbildes mit Begründungen; Grundlagen der Sehnentrigonometrie samt Tafel
2. Buch: Anhand der Schiefe der Ekliptik Berechnung von Aufgangszeiten für verschiedene Breiten; Tafeln der Aufgänge
3. Buch: Bewegung der Sonne
4./5. Buch Bewegung des Mondes
6. Buch: Finsternisse
7./8. Buch: Sternkatalog mit 1025 Fixsternen in 48 Sternbildern
9.-11. Buch: Planetenreihenfolge, Planetenbewegungen (Epizyklen)
12. Buch: scheinbare Rückläufigkeit der Planeten
13. Buch: Breitenbewegung der Planeten

Die Gestalt des Himmelsgewölbes2

Ptolemaios argumentiert für die Kugelgestalt des Himmelsgewölbes wie folgt: Die Gestirne beschreiben Parallelkreisbahnen von Ost nach West. Die Zeit, in der sie nicht sichtbar sind, passt rechnerisch immer zu einer Vollendung einer Kreisbahn, während auch die immer sichtbaren Sterne jeweils eine Kreisbahn um dasselbe Zentrum beschreiben. Dieser Punkt muss ein Pol der Himmelskugel sein, die allein solche Kreisbahnen erklären kann.
Die scheinbare Vergrößerung der Gestirne, wenn sie am Horizont stehen, erklärt Ptolemaios durch eine Lichtbrechung in der Verdunstung.
Zudem müsse der Äther als perfektes Element kugelförmig sein, da es auch alle Himmelskörper sind. Letzteres erweist sich aus der Beobachtung. Wäre zum Beispiel die Sonne eine Scheibe, so müsse man sie von verschiedenen Punkten der Erde - also aus verschiedenen Blickwinkeln - unterschiedlich sehen, da sie aber immer kreisrund ist, muss sie eine Kugelform haben.

Gestalt und Position der Erde3

An Unterschieden bei der Beobachtung von Finsternissen an verschiedenen Erdpunkten kann man feststellen, dass der Aufgang der Gestirne nicht überall gleichzeitig stattfindet. Die Oberfläche der Erde muss also gewölbt sein. Eine Walzenform kommt jedoch nicht in Frage, da man sonst keine immer sichtbaren Sterne hätte.
Ein weiterer Hinweis auf die Form der Erde sind die Beobachtungen an Schiffen, die in der Ferne im Meer zu versinken scheinen. Dieses Phänomen zeigt sich in allen Richtungen; die Erde muss also ebenfalls die Gestalt einer Kugel haben.
Dass die Erde im Mittelpunkt von allem steht, ergibt sich durch das Ausschlussverfahren der anderen Möglichkeiten:
Stünde sie irgendwo in polgleicher Entfernung zwischen dem Himmelsgewölbe, jedoch nicht auf der Achse, so könnte es keine Tag- und Nachtgleichen geben, ebensowenig unterschiedliche Abstände der Sonnenwenden. Auch müssten dann die Abstände zu den Gestirnen unterschiedlich sein, was nicht der Fall ist.
Läge die Erde irgendwo auf der Achse neben der senkrechten Verbindung der Himmelspole, könnte man nicht zu jeder Zeit immer genau sechs Tierkreiszeichen sehen, sondern mal mehr, mal weniger.
Hinge die Erde gar irgendwo weder auf der Achse noch auf der Senkrechten, so müssten alle aufgezählten Phänomene beider Fälle eintreten.
Aus alledem ergibt sich nach Ptolemaios, dass die Erde im Mittelpunkt stehen muss und diesen auch zu keiner Zeit verlässt.
Auch auf ihre Größe im Verhältnis zum Himmelsgewölbe kann man Rückschlüsse ziehen: Da die Gestirne von allen Orten aus gleich entfernt scheinen, muss der jeweilige genaue Beobachtungspunkt eine verschwindend kleine Rolle spielen, die Erde im Vergleich zum Himmelsgewölbe also winzig klein sein, als habe sie Punktgröße. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Horizont die Himmelskugel genau halbiert.
Die Erde bleibt nach Ptolemaios nicht nur fest am Ort, sie dreht sich auch nicht, wie es zu seiner Zeit schon von anderen erwogen wurde. Würfe man nämlich ein Objekt empor, müsse es bei einer Selbstdrehung der Erde doch woanders herunterfallen, da sich die Erde inzwischen weitergedreht habe.

Lage des bewohnten Gebietes auf der Erde

Ptolemaios lokalisierte das "bewohnte", also das den Einwohnern des Römischen Reiches bekannte Gebiet auf der bereits erklärten Weltkugel. Dazu teilte er diese zunächst in vier gedankliche Teile auf; eine der Schnittlinien war der Äquator.
Aufgrund des Umstandes, dass alle Schatten der Gnomone immer nach Norden wiesen, konnten Europa, Asien und Nordafrika nur auf einem der beiden Viertel der Nordhalbkugel liegen. Dass der bekannte westlichste und östlichste Punkt noch auf demselben Viertel liegen mussten, bewies der maximale zeitliche Abstand von zwölf Stunden bei der Beobachtung von Finsternissen.

Reihenfolge der Sphären4

Um die Erde herum sollten sich nach weitverbreitetem Weltbild die Sphären der fünf bekannten Planeten und von Mond und Sonne, die auch als Planeten galten, befinden. Ptolemaios stellt zwei Planetenreihenfolgen gegeneinander zum Vergleich. Die althergebrachte Reihenfolge war bei den Gelehrten diese: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn, Fixsterne.
Eine neuere Auffassung vertrete eine andere Reihenfolge, nämlich: Mond, Sonne, Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Fixsterne. Die Argumentation hierfür sei, dass man nie den Merkur oder die Venus vor der Sonne diese habe passieren sehen. Dies sei aber auch nicht notwendig, wenn ihre Bahnen die der Sonne gar nicht schnitten.
Somit sei das Hauptargument für die neue Planetenreihenfolge entkräftet. Man könne sich ruhig für die 'einfachere' und althergebrachte Theorie entscheiden, zumal Ptolemaios die Mittellage der Sonne zwischen den Planeten als natürlicher vorkommt. Ihre Sphäre trenne somit jene Planeten, die in Opposition stehen können, von den anderen. Ptolemaios führt also keinen Beweis, sondern entscheidet sich einfach, den alten Autoritäten zu folgen.

(unvollendet)


Quelle

Ptolemäus (Klaudios Ptolemaios): Handbuch der Astronomie; 2 Bde.; Übers.: Karl Manitius; Leipzig 1963

Literatur

Menso Folkerts: "Klaudios Ptolemaios" [Ptolemaios Nr. 65] in: Der neue Pauly - Enzyklopädie der Antike, Bd. 10; Hrsg. Cancik-Schneider; Stuttgart-Weimar 2001; Sp. 559-570
Bartel Leendert van der Waerden: Die Astronomie der Griechen - Eine Einführung; Darmstadt 1988
ders. u.a.: "Klaudios Ptolemaios" [Ptolemaios Nr. 66] in: Paulys Realencyclopädie der Classischen Altertumswissenschaften, Bd. 23,2; Hrsg. Pauly-Wissowa-Kroll-Mittelhaus-Ziegler; Stuttgart 1959; Sp. 1788-1859, 2484
Moritz Steinschneider: "Die arabischen Bearbeiter des Almagest" in Bibliotheca Mathematica Nr. 6; Hrsg. Eneström; Stockholm 1892; S. 53-62

Fußnoten

1 vgl. Waerden, Ptolemaios, Sp. 1790
2 Ptolemaios 1,3
3 Ptolemaios 1,4-7
4 Ptolemaios 9,1
Übersicht

© OHH August 2002Elf und Adler Verlag