6.9.

9:23

Eine leere Flasche kullert uns im Bus zwischen den Beinen umher. Irgendwann reagiert Stefan mit dem wohlwollend ungehaltenen Ton des Familienvaters: "Kann mal jemand die Flasche nach hinten werfen!"

11:07

Fano. Nach dem kurzen Besuch einer Augustusstatue kommen Michaela und ich doch tatsächlich mit unserem Referat über die Via Flaminia an die Reihe. Die Straße beschreibt in diesem Ort einen Knick nach Nordwesten, da sie sonst ins Wasser führen würde, und zieht sich dann bis Ariminum hinauf.
Wie stehen am Augustusbogen, einem alten Stadttor, und haben ob des Verkehrslärmes etwas erschwerte Bedingungen. Dennoch läuft es für mich recht zufriedenstellend. Ich erhebe ja nicht den Anspruch, jemanden zu langweilen, also hält man die Sache kurz.
Zwecks praktischer Übung und zur Auflockerung baue ich spontan die Entzifferung der Inschrift am Tor ein, was mir zumindest bei Dahlheim sehr positive Reaktion hervorzurufen scheint. Alles in allem eine recht entspannte Angelegenheit, auch wenn Michaela möglicherweise die ganze Zeit mit den Zähnen klappert.

11:49

Warenmäßiger Schwerpunkt auf dem Markt sind unangefochten Fisch und andere Meeresfrüchte. Vom Problem der meist nötigen vorherigen Zubereitung mal abgesehen, nicht unbedingt billig, aber jetzt so unterwegs habe ich eh keinen großen Appetit auf sowas. Die anderen halten sich freilich mehr damit auf.

12:25

Unglaublich, wie viele kleine Eidechsen man hier überall entdecken kann! Ich zähle bereits die fünfte seit dem Markt.

12:31

Das Meer. Gewiss eines der Dinge, welche die Menschen zuerst mit Italien verbinden. Nicht weiter verwunderlich bei einem Land, das letztlich fast nur aus Küste besteht und so lange Zeit des Jahres über vergleichsweise angenehme Badetemperaturen verfügt. Dennoch sehen wir Stand und Wellen auf dieser Reise zum ersten Male. Ob unsere Badesachen wohl doch noch vor der Heimkehr Verwendung finden werden?

12:47

Nach kurzweiligem Spazierengehen am Sandstrand, unterbrochen von allerlei Posieren für Fotos, sind wir an einem Stück mit aufgeschütteten Felsen angelangt. Hier klettere ich auf allen Vieren umher, dass ich Annette an eine Spinne erinnere und sie mich als ablichtenswert erachtet. [Leider sollten wir beide dieses Foto nie zu Gesicht bekommen, denn sie hat die Kamera noch in Italien verloren.

3.6.09 - 8:47

Aus irgendeinem Grunde hielt ich Rebeccas und Romans Referat einer Notiz wert - möglicherweise lediglich eines Julia ereilenden Wespenstiches wegen. Leider bringt mich das gedankliche Bild der Szenerie an der Strandpromenade nicht recht weiter.
Noch weniger besagt mir die alte Aufzeichnung 'Kerstin die Botin der Hose'. Vermutlich hat mir Füßchen-Kerstin irgendwie beim Umkleiden assistiert, aber auch hier wollen die genaueren Umstände meinem dumpfen Hirn nicht mehr entspringen. Was läppische 14 Jahre doch bisweilen anrichten können!

Nachmittags]

Fast möchte man meinen, selbst die Professoren seien nun der Kirchen überdrüssig, haben wir jetzt doch mit der sogenannten Villa Imperiale zu tun. Besonders bemerkenswert finde ich allerdings den von einem Blitz getöteten Baum daneben.

21:08

Zurück in Urbino, bin ich mit Fahrer-Christian auf dem Wege zum alten Stadtkern. Allerdings verlaufen wir uns schon im Ansatz und irren eine ganze Weile durch die schlecht bis gar nicht ausgeschilderten Straßen und Wege. Auch das hügelige Gelände und unerwartete Hindernisse bringen uns immer wieder vom Kurs ab. Aber unsere Orientierungssinne funktionieren glücklicherweise noch recht gut und bringen uns schlussendlich doch ans Ziel.

23:00

Im Bette fallen mir endlich die letzten passenden Rollennamen für den Rest der Busbesatzung ein. Steuermann Grimmer Schnitter hatten wir ja bereits genannt, dazu Fähnrich Fetzig und Fähnrich Füßchen, sowie Zahlmeisterin Ratzepüh.
Für den einen Christian passt Steuermann Stilles Wasser, scheint er mir bisweilen doch trotz aller ruhiger Ausstrahlung ein rechter Schlingel. Der andere Christian wird Leutnant Lulle getauft, auch in Anlehnung an seine gemütliche Art, aber insbesondere der Qualmstengel. Zugegebenermaßen ist Fähnrich Pittiplatsch für Petra ein wenig eine Verlegenheitslösung, da Namens- und Charakterähnlichkeiten etwas konstruiert wirken.
Fast ebenso schwer wie mit ihr habe ich mich bei mir selbst getan. Lange habe ich überlegt, was ich denn für den Bus sei. Gewiss kein gewöhnlicher Dienstgrad. Erst auf den vorletzten Drücker bin ich darauf gekommen, was ich letztlich alles beinahe ununterbrochen praktiziere und in seiner Summe daher Vorlage liefern muss für Bordbarde Brummel.
Da kann ich ja beruhigt einschlafen und morgen die Busöffentlichkeit mit meinen Ergebnissen erfreuen.

Zum dreizehnten Tag


Das Italienische Tagebuch
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© Oliver H. Herde
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