Widerwärtig wechselwütiges Windwetter

Autoren: Jan Richling, Oliver H. Herde, Tobias Gehre alias Stempfle und andere

20. Travia 28 Hal, später Nachmittag, hohe See südlich Baltreas

OHH

Ein halbwegs regelmäßig klopfendes Geräusch kündigt jemanden vom Unterdeck an. Ein Stabende und ein schwarzer Turban erscheinen als erstes. Je zwei Stufen gleichzeitig nehmend, gelangt die lange, dünne Gestalt, schnell ins Freie.
Sogleich zerrt der Wind an der fast bodenlangen Weste, der roten Hüftschärpe, den weiten Ärmeln ebenso wie der Pluderhose, derweil der eng umhüllte Rumpf keinen nennenswerten Luftwiderstand bietet. Ein unwilliges Schaudern durchfährt den Körper, bevor sich der Mann in allen Richtungen umschaut.
Anschließend wendet er sich nach Backbord um und rauscht in großen Schritten, die hin und wieder vom Ausfsetzen des Stabes begleitet werden, zur dortigen Reling. Der in andere Richtung strebenden Langweste achtet er nicht. Statt dessen hält er den Blick auf die nahe Küste gerichtet.
An der Bordwand angekommen, beugt er sich etwas darüber hinweg und schaut hinunter auf die Wellen. Welch ein geräuschvolles Durcheinander! Der Verschleierte kneift die Augen etwas zusammen, als suche er etwas dort unten.
Ein durch das Schiff gehender Ruck lässt die Hacken des Verhüllten ein klein wenig emporhüpfen. So vornübergebeugt hätte er leicht das Gleichgewicht verlieren können, doch er hält sich ja nicht nur mit der freien Hand fest - sein fester Stand verrät eine gewisse Erfahrung auf hoher See.
Der Mann richtet sich auf und mustert prüfend den Kapitän am Steuerrad. Aber jener kennt die Gewässer sicherlich hinreichend, und der eigene Kontrollblick hat ja nichts erbracht, weswegen man sich in der Nähe des Beibootes aufhalten sollte.
So beobachtet der Turbanträger nunmehr breitbeinig und sich mit beiden Händen auf den Stab stützend die beiden Frauen auf der anderen Seite des Decks.
Ja, es war gestern wohl allzu offenkundig, dass jenem jungen Fräulein dort drüben seine Nase nicht passt - oder was auch immer. Vermutlich liegt es nur an dem schwierigen Alter, welches sie glauben lässt, sich beweisen zu müssen.
Hatte er auch solche Phasen? Ja, er hatte, wie peinlich!
Die Erinnerungen an einzelne Szenen seiner Kindheit und Jugend abschüttelnd, blickt der Vermummte eilig nach links und rechts auf der Suche nach einem neuen Blickfang.
Den schwankenden Boden unter sich scheint er dabei gar nicht recht wahrzunehmen.

JR

Die Bootsfrau wendet sich der landseitigen Backbordreling zu, wo sie gut einen Schritt neben dem Vermummten stehenbleibt und die Arme auf das Holz stützt.

OHH

Unschlüssig wird eine Person nach der anderen betrachtet, doch keine besonders lange. Der Vermummte möchte nicht aufdringlich erscheinen, und es tut sich ja auch nichts Ungewöhnliches. Möglicherweise sind die Leute ja etwas müde ob des widerwärtig wechselwütigen Windwetters oder gestriger Anstrengungen. Für ihn selbst gilt jedenfalls beides.
Ja, man sollte sich vielleicht noch den Mantel überziehen - oder gleich unten bleiben. Bei dem Geruckel liest es sich allerdings nicht sehr konzentriert.
Die sich Nahende und noch einen Schritt an ihm Vorübergehende wird noch kurz besonders gemustert. Der rauhe Charme ist ihm zwar nicht unsympathisch, aber er könnte auch vor unfreundlichem Grundverhalten warnen. Wie alt mag sie sein? Ob es einen Grund hat, dass sie keine entferntere Stelle aufsucht, obgleich die Reling doch lang genug wäre? Aber vermutlich überbewertet er schon wieder Nichtigkeiten.
Die Langweste flattert geräuschvoll im Winde.

JR

Die Bootsfrau mustert für einige Augenblicke die Küste, um dann einen kurzen Blick zu ihrem Nachbarn an der Reling zu werfen.
Der Mann scheint aus dem Süden zu kommen, soviel ist unverkennbar, aber doch stellt er fuer die Bootsfrau ein gewisses Rätsel dar, denn so unpassend und ungeeignet ihr seine Kleidung für eine Seereise und den Aufenthalt auf einem Schiff erscheint, so erkennt sie doch, dass er sich keineswegs das erste Mal auf einem solchen befindet, mehr noch, dass er längere Zeit an Bord von Schiffen verbracht haben muss.
Vollkommen unklar bleibt damit aber der andere Teil des Rätsels, und da es im Moment ohnehin nichts zu tun gibt, wendet sie sich schließlich dem Mann zu: "Perfektes Segelwetter, nicht wahr?"

OHH

Der Angesprochene wollte sich gerade in Gang setzen, doch Unhöflichkeit hat man ihn nicht gelehrt.
"Hm, ja, wenn man es eilig hat", brummt er nachdenklich. Wie soll er das ausdrücken, ohne sich als Weichei verdächtig zu machen? Aber letztendlich sollte ihm doch der Eindruck anderer von ihm gleich sein! Ehrlichkeit zählt. "Ich mag es eigentlich lieber gemütlich."

JR

Die Bootsfrau ist sich bei der Antwort des Vermummten nicht so ganz sicher, ob er ihre Bemerkung als aufdringlich empfindet und sich gar nicht mit ihr unterhalten möchte, oder ob die Antwort eher in die entgegengesetzte Richtung zielt.
"Nun", antwortet sie, "das kommt vermutlich auf den Standpunkt an. Ich als Bootsfrau bin schon daran interessiert, dass wir rasch vorankommen, ohne dadurch zu viele Mühen zu haben, während die meisten Fahrgäste doch rasch wieder an Land wollen."
Nirka lässt den Widerspruch dieser Worte zu denen des Fahrgastes nur kurz stehen, denn mit einem Lächeln ergänzt sie: "Es sei denn, der Fahrgast mag Seereisen, was leider nicht sehr häufig vorkommt."

OHH

In seiner inneren Offenheit vergisst der Verschleierte gänzlich alle Nebengedanken und konzentriert sich wie gewohnt nur noch auf das Gesprächsthema: "Nun, die Reise zur See ist zumindest die bequemste, die ich mir denken kann. Eilig habe ich es selten und sicherlich nicht mehrere Tage lang! Aber das mag an meiner Zeitplanung liegen." Ein wenig schwingt der Ton in eine Richtung, die von wenig Respekt für jene zeugt, die durch das Leben hetzen.
Anlässlich eines etwas heftigeren Windstoßes schaudert er etwas zusammen. Nicht nur den Mantel, auch die Handschuhe sollte er sich holen!

JR

Noch immer ist sich die Bootsfrau nicht sicher, ob dem Mann das Gespräch mit ihr recht ist, oder ob er es eher als eine Belastung empfindet, so dass sie es fast schon bedauert, damit begonnen zu haben.
"Eilig haben wir es auch nicht, denn wirklich verderbliche Fracht führen wir im Moment nicht mit uns, höchstens solche, die die Luft im Laderaum verdirbt." Ein flüchtiges Grinsen huscht über das Gesicht der Bootsfrau.
"Dennoch freuen sich wohl die meisten Matrosen mehr auf die nächste Hafentaverne als auf die Aussicht, mit den Segeln hantieren zu müssen." Nirkas Tonfall bleibt bei dem Satz absolut neutral, so dass sie mit keiner Nuance anklingen lässt, was ihre eigenen Vorlieben sind.
"Zeit planen ist da nicht wirklich möglich, von daher habt Ihr sicher recht."

OHH

So sehr er sich auch bemüht, entgeht dem Turbanträger doch die Bedeutung der letzten Worte der Matrosin. Nach einigen Augenblicken verdutzten Glotzens und Grübelns richtet er sich trotz des Fröstelns zu voller Größe auf.
"Hrm, ähm... Dann sollten sie vielleicht Wirte werden statt Seefahrer", bezieht er sich folgerichtig auf den letzten Satz, den er inhaltlich noch nachvollzogen hat. Weder sein Ton noch die unverschleierten Augen verraten, ob zu dieser Äußerung auch ein verstecktes Lächeln gehört. Doch da dies nicht der Fall ist, mag es gut so sein. Es ist schweinewindig, da lächelt es sich schwer!

JR

"Das ist gut!" erwidert Nirka, um dann herzhaft zu lachen. Es spielt für sie keine Rolle, ob der Vermummte seinerseits lächelt oder dies überhaupt als Scherz gemeint hat, bei ihr kommt es als ein solcher an und entsprechend ist das Lachen ein ehrliches Lachen, keines, das gekünstelt klingt oder nur der Höflichkeit halber gelacht wird.
Es hält nicht lange an, denn dazu gibt es derzeit zu viele ernste Dinge, die die Bootsfrau beschäftigen. Dennoch gibt sie sich einen Ruck, um dessen ungeachtet eine wenigstens halbwegs passende Antwort zu geben. "Nur... wer setzt dann die Segel?" Die Worte sind nicht ernsthaft gemeint, und klingen folglich auch alles andere als ernst.

OHH

Der andere aber runzelt die Stirne. So gerne er Leute zum Lachen bringt, möchte er dies doch eigentlich nicht mit höchst ernst gemeinen Äußerungen tun. Seine Antwort kommt daher mindestens so nüchtern wie die vorige, doch schwingt etwas von Nachsicht und Belehrung mit: "Jene, die es gerne tun."

JR

Die Antwort, und insbesondere der Tonfall, in dem sie gegeben wird, lässt die Bootsfrau dann doch die Stirn runzeln, liegt doch viel mehr Ernsthaftigkeit darin, als sie ob des Scherzes vermutet hätte. Sie will dementsprechend gerade zu einer harten Antwort ansetzen, die den Unterschied zwischen einem müßiggehenden Fahrgast und einem arbeitenden Matrosen erläutert, um sich dann im letzten Moment noch zu bremsen, denn Streitereien mit Fahrgästen sind höchst unerwünscht.
"Viele haben nicht die Möglichkeit, das zu tun, was sie gerne tun würden", erwidert Nirka nach einer kurzen Pause, in der sie nach sachlicheren und ruhigeren Worten sucht. "Ich würde sogar sagen, jeder Matrose dieses Schiffes würde lieber auf den Bänken dort oben sitzen und die Küste betrachten, statt mit den Segeln zu arbeiten." Sie weist dabei kurz zum Brückendeck empor, ohne selbst in diese Richtung zu sehen.

OHH

Auch der vermummte folgt dem Fingerzeig nicht, ist er doch zu sehr mit den ihm sehr einfältig erscheinenden Worten befasst. Denn welch schmerzkreischender Unfug! Wer so denkt, wird in seinem Geiste bis zum Lebensende Sklave bleiben - ganz gleich, ob man ihm für seine Dienste nur die Verpflegung oder bare Münze zahlen mag.
Schon holt der Verschleierte Luft, um eine längere Rede zu führen. Dies gibt ihm Gelegenheit, nach einem geeigneten Beginn zu suchen. Dabei wiederum fällt ihm glücklicherweise gerade noch rechtzeitig auf, dass die Matrosin gerade erheblich vom Thema abgewichen ist - vermutlich, ohne es selbst recht zu bemerken.
Dies lohnt es sich aufzugreifen: "Verzeiht, ich wusste nicht, dass auf Bänken sitzen ein übliches Merkmal des Berufsbildes Wirt ist!" Er gibt sich wenig Mühe, den ironisierenden Unterton zu verstecken.

JR

(Nirka glaubt, der Fahrgast würde ausweichen und unterstellt ihm ebenso irrig, er sei wohlhabend.)
"Auf Bänken zu sitzen, wann immer man das möchte, würde ich als ein Merkmal eines Menschen empfinden, der nicht gezwungen ist, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. Alle übrigen haben diese Möglichkeit nicht und arbeiten dafür, dass sie sie eines Tages haben werden." Sie lächelt kurz.
"Oder sie haben andere Ziele. Ich beispielsweise will nicht mein ganzes Leben lang Bootsfrau bleiben. Und Ihr könnt Euch sicher sein", fängt sie dann den Bogen der Ironie doch wieder auf, "dass es auch nicht mein Ziel ist, Wirtin zu werden."

OHH

Wie gut, dass der Verschleierte nicht noch die Gedanken seines Gegenübers erfahren muss, die ihn wie so oft völlig falsch einschätzen! Ihre Worte genügen vollauf, ihn kurzzeitig in Verwirrung zu stürzen.
Wie bereits vermutet: Sie wirft die Themen nach Gutdünken durcheinander. Worüber will sie denn nun reden, was betreffend soll er argumentieren? Angestrengt blinzelt er und versucht, sich in dem großen Bögen, den sie schlägt, zurechtzufinden.
"I-ich dachte", beginnt er schlussendlich zögerlich, "es ginge um Berufe... Ah, ich verstehe! Ihr wollt sagen, dass die hiesige Matrosenschaft ein paar Jahre arbeitet und spart, damit sie dies anschließend nicht mehr tun muss und sich ihrer Freizeit widmen kann. Sehr vernünftig gedacht!" Kein noch so leises Quentchen von Ironie haftet mehr an seinen Worten; vielmehr klingt er ehrlich beeindruckt. "Verzeiht, ich habe Euch ganz falsch eingeschätzt. So etwas trifft man ja auch allzu selten. Allerdings - das möchte ich noch zur Klärung des Missverständnisses beitragen - meinte ich eigentlich nur, dass man ein solches Ziel ja auch mit einer Arbeit erreichen kann, die einem etwas weniger widerstrebt. Dann geht sie leichter von der Hand, und man ist gewissenhafter bei der Sache."

JR

Ein weiteres Mal ist es an der Bootsfrau, den Vermummten ein wenig verwundert anzusehen. Scheinbar hat er in seinem Leben noch nie wirklich gearbeitet, sonst würde er derlei wohl kaum sagen.
"Da habt Ihr schon recht", antwortet sie, bemüht um einen möglichst neutralen Ton, "nur existiert eine solche Tätigkeit nicht. Ihr könnt davon ausgehen, dass die meisten auf diesem Schiff gerne zur See fahren und die Arbeit auf See lieber machen als fast jede andere Arbeit, nur gibt es zum einen immer wieder Aufgaben, die niemand gerne macht, die aber gemacht werden müssen, und zum anderen kann auch etwas, das einem Spaß macht, zeitweilig zu einer sehr belastenden Pflicht werden."
Nirka hält kurz inne, um sich in die Erinnerung zurückzurufen, was sie an den Worten davor gestört hat. "Zudem hat jeder ein anderes Ziel. Um sich später ganz seiner Freizeit widmen zu können, muss ein Matrose schon sehr viele Götterläufe arbeiten und dabei auf vieles verzichten. Das tun die wenigsten, sie leben ihre Freizeit darum lieber im nächsten Hafen aus, womit sie einen Wechsel zwischen der Arbeit und dem, was sie gebracht hat, haben."
Sie lächelt erneut, und fügt hinzu: "Zudem führt uns das zu den Tavernen zurück, aber um die geht es ja nicht. Andere wiederum haben andere Ziele - vielleicht wollen sie einmal Bootsmann werden, oder sogar mehr. Ich kenne einige, für die ein eigenes Schiff ein Traum ist, den sie gerne erfüllt sehen würden."

OHH

Wieder ahnt der Angesprochene wenig von den fälschlichen Unterstellungen der Frau, so dass sie weiter unaufgeklärt bleiben.
Statt dessen winkt er bei ihren ersten Worten ab. Wenn es nur das ist! Niemand hat je behauptet, es gäbe eine Beschäftigung, die immer Freude bereitet. Selbst in der Sonne liegen nicht. Dies aber auch mit einer Aussage zu bestätigen, bleibt ihm verwehrt, da er die Sprechpause allzu spät bemerkt.
So nickt er nur hin und wieder ein klein wenig. Genau das meinte er ja: Die Leute geben ihr Geld lieber gleich aus. Anscheinend hat er die Matrosin, deren Alter er so schwer zu schätzen vermag, falsch eingeschätzt.
Dass sie geendet hat entgeht ihm im ersten Moment, doch dann meint er eilig: "Dann sind wir uns ja einig!"
Unschlüssig verharrt er. Ein neues Thema fällt ihm nicht recht ein; zugleich stört ihn der Wind erheblich mehr denn die Schaukelei, die wenigstens seine Beinmuskeln in Bewegung und damit halbwegs warm hält. Andererseits möchte er das kecke Fräulein auch nicht einfach so stehen lassen.

JR

Die plötzliche Zustimmung des Mannes überrascht die Bootsfrau doch, schließlich hat sie nach dem vorangegangenen Hin und Her nicht mit so etwas gerechnet, zumal ihr auch nicht so ganz klar ist, auf welchen Teil ihrer längeren Aussage sich dies bezieht. Folglich sieht sie in der Zustimmung eher den Wunsch, das Gespräch zu beenden, was hinsichtlich dieses Themas auch ihren eigenen Vorstellungen sehr nahe kommt, denn derlei Diskussionen mit Fahrgästen gehören nicht gerade zu dem, was sie gerne tut.
"Vermutlich", erwidert sie darum ein wenig ausweichend, und schaut dann auf der Suche nach einem neuen Thema oder einem passenden Abgang kurz in die Runde.
Beinahe sofort fällt ihr dabei ein gutes Stück Backbord voraus der nun auch schon vom Deck aus sichtbare Nord-Knick der Küstenlinie ins Auge, der zwar nicht als Thema geeignet ist, doch aber wenigstens eine Bemerkung verdient hat. "Die Aussicht wird sich hier auch bald ändern, denn es dürfte nicht mehr lange dauern, bis wir uns wieder von dieser Insel entfernen." Sie deutet kurz in die fragliche Richtung, um die Plötzlichkeit des Wechsels ein wenig abzumildern.

OHH

Beachtlich auch, wie vorsichtig sie sich ausdrückt! Genau wie er selbst. Vermutlich ist sie nur etwas selbstunsicher. Er hat sie wirklich falsch eingeschätzt. Solch innovative Gedankenwelt findet sich ja leider allzu selten und kommt daher immer etwas überraschend.
So aber verdient sie eine genauere Beobachtung. Natürlich muss sich der Verschleierte bremsen, um nicht gleich wieder von einer potentiellen Gefährtin zu phantasieren, aber eine gute Freundin könnte bei solcher Klugheit allemal herauskommen. Was mag wohl ihr Ziel sein?
Ihre Handbewegung weckt ihn aus seinen Gedanken und ruft ihre letzten Worte wie bei einem Echo in sein Bewusstsein. "Ja... Nun, mir ist die Aussicht wenig bedeutsam. Ich wollte nur kurz wegen der Untiefen schauen."
Eine weitere Bemerkung zum Wind verkneift er sich noch, schaut aber prüfend zum Himmel empor. Vielleicht geht es doch ohne Handschuhe?

JR

Könnte die Bootsfrau die Gedanken des Vermummten lesen, würde dieses Gespräch kaum eine Fortsetzung finden. So jedoch schaut sie ihn nur kurz verwundert an, hatte sie doch vorher eher das Gefühl gehabt, dass er an keiner Fortsetzung interessiert ist, und zuckt kurz mit dem Schultern. 'Von mir aus... Untiefen sind ein guter Anfang.'
"Wegen der Untiefen braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen, das Wasser ist tief genug, und die nächste Sandbank wenigstens eine halbe Meile entfernt. Das wird sich auch nicht mehr ändern, bis wir den Knick da vorne erreicht haben, denn genau deswegen war ich gerade im Ausguck." Wieder gibt es eine beiläufige Handbewegung, die dieses Mal auf die Mastspitze zeigt.

OHH

Vermutlich hat sie nicht mehr mitbekommen, wie er eben an der Reling stand - und möglicherweise war seine Ausdrucksweise nicht so eindeutig, wie er es sich eingebildet hat.
Höflich den Schleier lüftend, dass dieses Tuchteil seitlich vom Turban herabbaumelt, erklärt er: "Ja, dessen habe ich mich vergewissert, das meinte ich." Woher sollte sie auch wissen, wie lange er schon auf See verbracht hat!
Geistesabwesend starrt er an ihr vorbei. Ihr lange in die Augen zu schauen, wäre er ohnehin zu schüchtern. Mit den Handschuhen kann er ja warten, bis es sich weiter bedeckt.

JR

Wieder kommen der Bootsfrau Zweifel hinsichtlich ihrer Interpretation der Gesprächigkeit des Mannes, denn das, was er gerade sagt, hat sie schon beim ersten Mal verstanden, und schon beim ersten Mal als nicht von Bedeutung abgetan, denn was soll ein Fahrgast schon erkennen können, wenn er über die Reling schaut? Es sei denn, er hat einschlägige Erfahrungen, was nach den bisherigen Worten aber nicht wirklich wahrscheinlich für Nirka erscheint.
"Wenn Ihr über die Reling schaut, werdet Ihr im Normalfall eine plötzlich ansteigende Sandbank aber erst erkennen, wenn wir im Grunde schon auf sie draufgefahren sind - genau darum bin ich ja in den Ausguck gestiegen." Die Worte haben kaum etwas Belehrendes, eher jene Beiläufigkeit, mit der man Dinge erklärt, die man tagtäglich tut.

OHH

Der Tonfall hilft allerdings nicht dazu, dass der Verschleierte den Worten keine Bedeutung beimäße. "Ich weiß. Ich schaute nach dem allgemeinen Zustand", fühlt er sich zu einer Rechtfertigung genötigt.
Dann aber fällt ihm noch eine scheinbare Nebensächlichkeit auf. Dafür stieg sie hinauf? Unwillkürlich dreht er sich etwas um und lehnt den Kopf zurück, um den Mast emporzusehen. Ach nein, sie meinte wohl, dass sich nichts weiter ändert.
Eilig dreht er sich ihr wieder zu und lächelt, um zu zeigen, dass er alles für in Ordnung hält. Dennoch warnt ihn seine Intuition immer lauter, dass mit diesem Gespräch irgend etwas schiefläuft. Es muss wohl an dem Wind liegen, der seine Gedanken buchstäblich durcheinanderwirbelt wie das wehende Ende seines Turbantuches. Was gäbe er dafür, nicht so wetterfühlig zu sein!

JR

"Nach dem allgemeinen Zustand?" wiederholt die Bootsfrau fragend. "Das klingt für mich, als würdet Ihr Euch mit der Seefahrerei ein wenig auskennen." '...oder aber einer jener Aufschneider sein, die ihre Nase in alle Dinge stecken, von denen sie keine Ahnung haben!' Dies bleibt allerdings ein Gedanke und weit entfernt davon, ausgesprochen oder auch nur angedeutet zu werden.

OHH

Der wiederum so ungerecht Beurteilte winkt nichtsahnend und daher mit Leichtigkeit ab. "Naja, was heißt schon auskennen! Ich bin einige Jahre mit... also, ich fuhr einige Jahre zur See. Allerdings habe ich mich dabei weniger auf die Navigation konzentriert. Ich war mehr eine Art Berater im Offiziersstab. Es genügte für ein Gefühl für den schwankenden Boden und seine Eigenheiten."
Zufrieden und unschuldig lächelt er. Es ist einfach angenehm, von der Erfahrung berichten zu können, ohne damit protzen zu müssen.

JR

Auch wenn einiges durchaus in diese Richtung gedeutet hat, so ist die Bootsfrau doch ein ganz klein wenig überrascht, passt doch längst nicht alles, was gesagt worden ist, zu dieser Bemerkung. Andererseits schränkt er die Angelegenheit mit 'Berater' ja auch ein.
"Das ist wohl wahr, dieses Gefühl eignet man sich recht schnell an - oder eben nie, aber dann bleibt man auch nicht an Bord."
Sie hält kurz inne, wieder einmal unsicher, ob das Gespräch fortgesetzt werden sollte, oder eher nicht, und entscheidet sich schließlich für einen Mittelweg, denn immerhin gibt es mit der Seefahrerei nun eine gemeinsame Basis, die sie daran erinnert, dass etwas anderes noch fehlt.
"Doch verzeiht meine Unhöflichkeit, wir reden hier schon eine Weile, und ich habe meinen Namen noch nicht genannt." Zwar wurde er in den letzten Stunden mehr als einmal über das Deck gerufen, im wesentlichen vom Kapitän, der Segelanweisungen gegeben hat, doch sie rechnet nicht damit, dass der Fahrgast darauf geachtet hat. "Ich heiße Nirka", sagt sie, und fügt nach einer kurzen Pause, in der sie überlegt, ob sie ihre Stellung an Bord wiederholen soll, hinzu: "Und ich bin seit einigen Götterläufen Bootsfrau dieser Karavelle."

OHH

Lächelnd wird genickt. Im Grunde ist es mit dem an Bord bleiben wie mit jeder alltäglichen Beschäftigung.
Doch die Vorstellung der Frau lenkt von jeglicher Philosophie ab. Und selbst, wenn der Turbanträger nicht ob des Windes die meiste Zeit unter Deck verbracht hätte, würde er doch der Höflichkeit halber antworten, wie er es nun tut: "Angenehm" - dabei neigt er sein Haupt und schließt kurz wie andächtig die Augen, um sogleich wieder offenherzig aufzublicken - "Magnibilität Yashkir al-Yeshinna el Yiyimris."

JR

Mit einem Neigen des Kopfes, das in gewisser Weise an eine Verbeugung heranreicht, nimmt die Bootsfrau die Vorstellung des Fahrgasts zur Kenntnis, ohne dabei den Versuch zu wagen, den Namen zu wiederholen, da sie sich ziemlich sicher ist, dass sie dabei Teile auslassen würde.
Ein anderes Problem lässt sich jedoch nicht so leicht lösen, nämlich die Tatsache, dass sie nun wieder ohne Thema dastehen, und es Nirka wenig sinnvoll erscheint, die Sache mit der Arbeit auf See weiter zu verfolgen.
Ebenso unangebracht wäre es, zu fragen, wie eine 'Magnibilität' dazu kommt, als Berater auf See zu arbeiten, denn um diese Frage sinnvoll stellen zu können, müsste sie erst einmal wissen, was sich hinter diesem Titel verbirgt. Die Bootsfrau hat sich bislang noch nie über das, was die Seefahrt erfordert, hinaus beschäftigt . Dass ihr eine solche Beschäftigung in diesem speziellen Fall auch nicht helfen würde, ahnt sie hingegen nicht einmal.
So stützt sie nach einigen Momenten des Schweigens die Hände in die Seite, und sieht Yashkir an. "Tja..." Es bleibt vollkommen offen, ob das ein Anfang ist, oder ob es lediglich das Eingeständnis des Umstandes ist, dass sie keine Idee hat, wie sie das Gespräch fortsetzen kann.

OHH

Igendwie nett, die Pose - findet zumindest Yashkir, obgleich er die Gründe nicht sogleich durchschaut. Ihn beschäftigt ja auch noch etwas anderes, auf was ihn ihre Verlegenheitsäußerung aufmerksam gemacht hat: Noch immer weiß er nicht, weswegen sie ihn angesprochen hat. Das bisherige Gespräch scheint nicht so recht Auskunft darüber zu geben. Sie wird doch nicht nur über den unangenehmen Wind zu sprechen gewollt haben! Beabsichtigte sie möglicherweise bloß, mit der Geschwindigkeit des Schiffes prahlen?
Wie auch immer, er fühlt sich im Zugzwang. Wenn sie so schnell sind, ist wenig Zeit, sich zu unterhalten. Sicher hat er sie wie wohl jeden mit seiner Vorstellung erschlagen. "Ihr dürft mich einfach Yashkir nennen", erklärt er hilfsbereit.

JK

Einen Moment zögert Tjeska, bevor sie zu Nirka und dem seit Teremon mitreisenden Fahrgast tritt, doch sie gibt sich einen Ruck und lässt ein möglichst unaufdringliches Räuspern vernehmen. "Bootsfrau?" Unbewusst nimmt sie dabei die militärisch stramme Körperhaltung ein, die gleich klar machen soll, dass sie den Wortwechsel allein aus Gründen, die die Mannschaft betreffen, unterbricht.

JR

Wieder neigt die Bootsfrau den Kopf, als sie die Kurzform des Namens vernimmt, die im Gegensatz zu dem, was er davor gesagt hat, auch problemlos gemerkt werden kann. Im Gegenzug ist es nur naheliegend, ihm das 'Nirka' anzubieten, doch sie will das gerade aussprechen, als ihr bewusst wird, dass sie ihm das 'Eiriksdottir' ohnehin unterschlagen hat.
Tjeskas Worte nehmen ihr vorerst die Gelegenheit, diesen Fehler zu korrigieren, denn die gewählte Anrede lässt keinen Zweifel daran, dass es hier um eine Angelegenheit der Schiffsführung geht, die auf jeden Fall Vorrang hat. "Entschuldigt mich kurz", sagt sie darum mit sicherer Stimme zum Turbanträger, und wendet sich dann der Tochter des Kapitäns zu. "Ja?"

OHH

"Sichersicher", erwidert Yashkir lediglich mit einem fahrigen Winken der freien Hand. Auf keine Fall möchte er bei der Arbeit im Wege sein! Drum wendet er sich auch respektvoll ab und tut ein paar kurze Schritte, falls Themen angesprochen werden sollten, die nicht so recht für Fahrgäste gedacht sind. Es genügt ihm, wenn er ein paar Schlüsselworte aufschnappt. Solche wie zum Beispiel: 'Wir sinken.'

JK

Dass sich der Fahrgast von selbst abwendet und ihr und der Bootsfrau die nötige Privatphäre schafft, ohne dass sie darum bitten muss, ist Tjeska sehr recht und wird von ihr mit einem knappen "Danke" in Richtung des Turbanträgers kommentiert. Dann beginnen die beiden miteinander zu tuscheln.

OHH

Mag der Wind auf den ersten Anschein auch günstig stehen, so weht er die Wortfetzen der beiden Frauen doch sehr zerrüttet herüber, alles begleitet vom unverändert lästigen Rauschen. Lediglich das Wort Heiler muss zwar nicht, aber könnte im Gewisper enthalten sein. Die Geheimniskrämerei könnte darauf schließen lassen, dass sich jemand eine Seuche eingefangen hat - oder der Heiler sturzbetrunken unter seiner Koje liegt - oder es geht um eine Privatangelegenheit des Heilers - oder es geht um einen Mann namens Heiner.
Yashkir muss sich eingestehen, dass sein Gehör einfach nicht mehr das allerbeste ist und der Wind noch viel mehr beschimpfungswürdige Nebenwirkungen hat, als er an einem Nachmittag aufzählen könnte.
Solcherart in Gedanken, bemerkt die 'Magnibilität' nicht einmal die Beendigung des Flüsterns.

JR

Es sieht fuer Nirka vorerst nicht so aus, als beabsichtige Yashkir, das Gespräch fortzusetzen, ebenso ist unklar, ob der andere Fahrgast einfach nur zufaällig an der Reling steht, oder ob er eine Frage hat, die er vielleicht aus Höflichkeit zurückgestellt hat. Da die Bootsfrau im Moment nichts wirklich dringendes zu tun hat, wirft sie beiden Männern einen fragenden Blick zu, und bleibt für das erste an Ort und Stelle stehen.

OHH

Als sich Yashkir bewusst wird, dass das Getuschel verstummt ist, dreht er sich fast zaghaft wieder um. Tatsächlich stehen die beiden Frauen nicht mehr so dicht beisammen. Zudem hält sich nun ganz in der Nähe ein junger Mann von den Inseln auf.
Nirkas Blick bemerkt Yashkir erst im Anschluss an diese allgemeine Situationserfassung. Unschlüssig lächelt er und wirkt dabei wie bestellt und nicht abgeholt. Selbst, wenn ihm nicht der Großteil der vorhergehenden Unterhaltung vorübergehend entfallen wäre, wüsste er kaum so recht, was er nun sagen oder tun sollte.
Durch das zweimalige Herumdrehen hat der offene Schleierteil seines Turbanes eine Position erreicht, welche dem Wind ungünstige Angriffsfläche bietet. So landet er unvermittelt in Yashkirs Gesicht.

JR

Steht da in Yashkirs Haltung etwa Unsicherheit geschrieben? Auch wenn das alles andere als sicher ist, so überrascht die Idee alleine die Bootsfrau doch, ist sie bislang doch davon ausgegangen, dass er sehr wohl weiß, was er will, und gewissermassen auf sie herabsieht.
Nirka denkt die Idee nicht zu Ende, sondern tritt einen weiteren Schritt näher, so dass sie nun wieder in wirklicher Gesprächsentfernung steht. "Yashkir also", greift sie die letzten Worte auf, die vor der Unterbrechung gefallen sind, als hätte es diese Unterbrechung gar nicht gegeben. "Ihr dürft mich Nirka nennen, den Rest des Namens hatte ich Euch unhöflicherweise unterschlagen - da gehört nämlich noch ein 'Eiriksdottir' dazu."

OHH

Die andere Frau entfernt sich, und spätestens, als er angesprochen wird, verschwimmen die äußeren Dinge wieder in Yashkirs Bewusstsein. Da die Bootsfrau weiter das Gespräch such, muss er sie doch aus irgendeinem Grunde heraus interessieren. Allein, er wagt nicht, sie direkt zu fragen.
"Hrm", räuspert er sich verhalten und wiederholt: "Angenehm." Und nun? Wie hilflos er sich schon wieder vorkommt! Müsste er nicht etwas sagen? Etwas Geistreiches, dass sie bleiben lässt? Keinesfalls über das Wetter! Da haben sie unterschiedliche Meinungen, so viel hat er begriffen. Und doch sollte ihm möglichst schnell etwas einfallen. Nicht nur, weil die Fahrt wohl allzu kurz dauern wird, um später eine zweite Chance zu bekommen, sich kennenzulernen.
Ziele! Ja, das ist es! Das unruhige Lächeln wird von ehrlicher Freude über den Geistesblitz beiseitegeschleudert. "Ähm, Ihr sagtet, Ihr wollet nicht immer Bootsfrau bleiben... Wonach strebt Ihr also?" Eigentlich sind berufliche Fragen ja nicht so spannend für Yashkir, aber so hat er zumindest einen Anfang gemacht und etwas Zeit gewonnen.

JR

Yashkirs Frage trifft die Bootsfrau ziemlich unvorbereitet, hat sie dieses Thema doch schon längst als beendet angesehen. Andererseits ist ihr die Frage durchaus willkommen, führt sie doch in sehr bekannte Gewässer zurück.
"Das ist eine gute Frage", erwidert sie darum, "da gibt es zwei Antworten. Eine, die mein nächstes Ziel betrifft, und eine, die viel weiter in die Ferne reicht."
Sie hebt den Blick und sieht in das gerade wieder halbvermummte Gesicht ihres Gegenübers. "Welche interessiert Euch?"

OHH

Jenes Minenspiel beschränkt sich vor allem auf den Groll über den Wind, der in Bemühung um Höflichkeit aber mühselig unterdrückt wird. Den immer wieder vor das Gesicht wehenden Schleier nunmehr festhaltend, kann sich Yashkir etwas besser auf die mutmaßlich junge Dame konzentrieren.
"Was? Achso. Ich denke wohl jene, die Euch mehr am Herzen gelegen ist. Sie sagt sicher mehr über Euch aus."

JR

Gedankenverloren lässt die Bootsfrau für einen Moment den Blick über das Deck und das Wasser streifen, wobei der Knick in der Küstenlinie ihre Aufmerksamkeit wieder einmal von dem Gesprächsthema ablenkt und ihr in das Gedächtnis zurückruft, dass es vermutlich sehr bald wieder etwas zu tun gibt. Doch zuvor gilt es, eine Frage zu beantworten, über deren korrekte Antwort sich die Bootsfrau keineswegs so klar ist, wie es ihre vorigen Worte wohl vermuten lassen.
"Das ist gar nicht so einfach", erwidert sie, während ihr Blick zu Yashkir zurückkehrt, "sicher ist erst einmal nur eines: Nach bald zwanzig Götterlaeufen auf See kann ich mir nicht vorstellen, eines Tages irgendwo an Land herumsitzen zu wollen, ich brauche das Wasser einfach, und ich denke, das wird sich nicht ändern. Von daher" - sie hält noch einmal inne, ehe sie dann nickt - "ist es wohl jenes Ziel in der Ferne, das mir mehr am Herzen liegt, auch wenn das andere wohl greifbarer ist. Nunja... ich möchte eines Tages auf einem Schiff sein, wo ich tun kann, was immer mir beliebt, und das zu Häfen fährt, zu denen ich fahren möchte."
Lächelnd sieht sie den Fahrgast an, denn auch wenn sie das genaue Ziel nicht benannt hat, so scheint es ihr mehr als klar zu sein, und sie will auf keinen Fall die Reaktion verpassen.

OHH

Yashkir lächelt wohlwollend zurück. Ganz unabhängig davon, ob man die Träume eines anderen Menschen teilt, ist es doch schön, wenn jemand überhaupt solche hat und sich daran erfreuen kann.
"Eine lange Zeit", bestätigt er ihre so umfangreiche Erfahrung, obgleich diese ja ebensogut bedeuten könnte, dass man etwas satt hat. Jedenfalls muss sie entsprechend alt sein, wohl mindestens fünfundzwanzig. Es sei denn, ihre Eltern hätten sie schon als Säugling mit auf ein Schiff genommen. Genau betrachtet, ist Yashkir also in der Altersfrage nicht weiter, aber da er nicht direkt fragt, ist er letztlich selbst schuld - Höflichkeit hin oder her.
"Ich vermute, es soll schon etwas Größeres sein als ein Fischerboot mit Segel. Etwas mit einer kleinen Mannschaft. Sonst könntet Ihr es ja schon haben!"

TS

Dariyon dreht er seinen Körper etwas in die Richtung der inzwischen verkleinerten Gruppe und spricht die Frau, die anscheinend den Namen Nirka trägt, an: "Ja, das kann ich gut verstehen. Ich glaube, so ziemlich jeder Mensch wäre gerne vollkommen unabhängig von irgendwelchen höher gestellten. Doch nur den wenigsten gelingt das."
Bei diesen Worten denkt Dariyon kurz an seine eigene Situation. Lange Zeit zum Nachdenken hat Dariyon allerdings nicht, denn er ist damit beschäftigt, die Reaktionen seiner Gegenüber zu beobachten, damit er bei einem Anzeichen, dass sie sich gestört fühlen, die beiden allein lassen könnte.

JR

"Da habt Ihr wohl recht", erwidert sie ihm, um auf diese Weise zu ignalisieren, dass sie seine Einmischung nicht als störend empfindet, ehe sie sich wieder ihrem eigentlichen Gesprächspartner zuwendet.
"Auch ein Fischerboot mit Segel ist etwas, das für viele Seeleute für immer ein Traum bleiben wird, zumindest dann, wenn sie es für etwas anderes als tägliche Fangfahrten benutzen wollen."
Sie zuckt kurz mit den Schultern, während ihr Blick für einen Moment auf dem Beiboot der NORDSTERN ruht, das da verkehrt herum nahe der Steuerbordreling ruht und einem der angesprochenen Boote von der Größe her gar nicht so unähnlich ist.
"Aber Ihr habt recht, derlei würde ich nicht haben wollen, denn gerade das Gefühl der Weite, die Freiheit, Ziele auswählen zu können, ist damit wohl deutlich eingeschränkt. Etwas größer sollte es also schon sein, und das braucht dann auch eine kleine Mannschaft."
Grinsend sieht Nirka erst Yashkir, dann den anderen Fahrgast an. "Ihr seht, meine Ziele sind alles andere als bescheiden."

TS

Dariyon ist durchaus überrascht von der Reaktion Nirkas. Er hätte eher einen abweisenden Kommentar erwartet, aber weil ihre Antwort positiver ausfällt, tritt Dariyon noch einen kleinen Schritt auf die beiden zu.
"Ich kann mir schon vorstellen, dass es ein sehr" - er sucht kurz nach einem passenden Wort - "ein sehr erhabenes Gefühl sein muss, den Befehl über eine Mannschaft zu haben. Allerdings glaube ich, dass man auch eine gewisse Verantwortung trägt, schließlich ist man für das Leben der Mannschaft verantwortlich."
Dariyon schaut kurz zu dem Mann, den Nirka mit Yashkir angeredet hat, dann wieder zu Nirka selbst.

OHH

Yashkirs fast grimmes Gesicht mag für kurz etwas über die Gründe ahnen lassen, welche er für ein Nichterreichen von Wünschen aufführen würde. Doch aus Freundlichkeit und weil das Gespräch fortläuft und von den zwei Arten von Beharrlichkeut fortführt, entspannt sich der Ausdruck recht schnell, ebenso aus der Gewissheit, mit den Vermutungen über Nirkas Träume auf dem richtigen Pfade gewandelt zu sein. Das war allerdings auch nicht sonderlich schwer, wie er sich insgeheim eingesteht, derweil er ihr verstehend zunickt.
Um so mehr erscheinen die folgenden Worte des Zyklopäers als Binsenweisheiten. Dazu muss man nichts sagen. Bereitwillig überlässt Yashkir den Gesprächsverlauf erst einmal den anderen beiden und nickt nur ein wenig vor sich hin.

JR

Eigentlich ist Nirkas Aufmerksamkeit mehr auf Yashkir als auf den anderen Fahrgast gerichtet, doch da ersterer sich auf ein Nicken beschränkt, und nur letzterer etwas antwortet, ändert sich dies zumindest zeitweise.
"Nun, darum geht es mir weniger. Das habe ich jetzt bereits - ich bin Bootsfrau dieses Schiffes und damit Vorgesetzte der Matrosen. Nur, ich muss das tun, was der Kapitän sagt, und selbst der Kapitän kann nicht frei entscheiden, wohin die NORDSTERN fährt - das ist der Kern der Sache."
Nachdem das ausgesprochen ist, wendet sich ihr Blick wieder dem Turbanträger zu.

OHH

Besonders viele Möglichkeiten fallen Yashkir hierzu nicht ein. Sparen. Oder die Wünsche verkleinern. Oder aufschieben. Es ist sowieso die Frage, ob man wirklich alles erfüllt haben möchte, von dem man träumt. Allerdings kommen dem nun eher gedanklich Verschleierten all diese Worte ob ihrer Selbstverständlichkeit hohl und überflüssig vor.
"Ich wünsche Euch viel Erfolg", meint er schließlich verlegen um eine bessere Erwiderung.

TS

Bei den Worten Nirkas nickt Dariyon anerkennend. "Wie viel würde denn so ein Schiff, welches Ihr gern befehlen würdet, ungefähr kosten?" Diese Frage dient vor allem dazu, dass Dariyon sich vorstellen kann, ob der Wunsch Nirkas realistisch ist oder wohl für immer ein Traum bleiben wird.

JR

"Herzlichen Dank", erwidert die Bootsfrau Yashkir.
"Das ist nicht so einfach", antwortet sie dem anderen, "zumal dies nur ein möglicher Weg ist, und zwar keineswegs der erfolgversprechendste. Ansonsten kommt es sehr darauf an, in welchem Zustand ein Schiff und wie alt ist, wenn man es kaufen möchte. Ein neues Schiff kostet je nach Größe, Typ und Ausrüstung gerne deutlich über" - sie hält kurz inne, um sich an lange zurückliegende Dinge zu erinnern und mit einer Zahl zu hantieren, die in ihrer astronomischen Größe keineswegs Teil des täglichen Umgangs einer Bootsfrau ist - "zwanzigtausend Dukaten, wobei das dann wohl in der Größe eher an dieses Schiff hier herankäme."
Sie lächelt leicht. "Ihr seht, das ist sehr, sehr weit ausserhalb der Möglichkeiten einer Bootsfrau, selbst, wenn man sich auf etwas deutlich kleineres beschränkt und jeden Silber zur Seite legt. Nein, das ist kein gangbarer Weg. Wenn ich jemals ein Schiff besitzen werde, dann wird es klein und wohl so alt sein, dass es dem Abwracken näher ist als der offenen See. Das bedeutet dann zwar, dass es jede Menge Arbeit erfordert, ehe man sich damit auf See wagen kann, aber genau das gehört eben zum Leben eines Seemanns."
Auch wenn damit längst nicht alle Gedanken kundgetan sind, die sie sich zu der Frage bereits gemacht hat, hält sie erst einmal inne.

OHH

Yashkir hört nur still zu. Dass er jahrelang auf See war, heißt nicht, dass er sich mit Schiffbau oder Preisen beschäftigt hätte. Ein derart mobiles Haus hätte gewiss seine Vorzüge, aber die eines auf festem Boden überwiegen doch wohl.

JR

Die Bootsfrau ist sich nicht sicher, ob die Nennung der Preise die beiden Männer zum Verstummen gebracht hat, oder ob es dafür einen anderen Grund gibt. In Gedanken versunken, schweigt auch sie erst einmal.

TS

Nachdem Dariyon einen Moment abgewartet hat, ob die Bootsfrau von sich aus erzählt, was sie mit diesen Worten genau meint, beschließt er, sie direkt danach zu fragen: "Ihr sagtet vorher, Ihr wüsstet noch eine andere Möglichkeit an ein Schiff zu kommen? Ehrlich gesagt, mir würde nichts anderes einfallen als Kaufen."

OHH

Erst nach einigen Augenblicken, während derer er gedankenverliren die vorüberziehende Insel betrachtet hat, schaut Yashkir wieder auf die anderen beiden. Der Frage des Mannes schließt er sich nickend an.

JR

"Nun", erwidert die Bootsfrau, "eine Möglichkeit hatte ich ja schon gesagt. Man könnte ein sehr altes Schiff erwerben, und es wieder herrichten. Dann könnte man versuchen, ein zum Abwracken bestimmtes Schiff zu bekommen, jedoch ist auch das nicht geschenkt, denn an jedem noch so alten Schiff gibt es jede Menge Teile, die noch von Wert sind und damit den Preis nach oben treiben." Sie zeigt kurz über das Deck der Karavelle und insbesondere auf die etlichen Teile der Takelage, die eindrucksvoll demonstrieren, dass derlei alles andere als simpel aufgebaut ist.
"Dann gibt es noch die Möglichkeit, ein verunglücktes Schiff zu bergen, also eines, das von der Besatzung aufgegeben wurde und vielleicht wieder in Ordnung gebracht werden kann. Ein aufgegebenes Schiff gehört niemanden, es sei denn, man findet es in einem Gewässer, in dem jemand anders Bergerechte hat." Der Tonfall, in dem Nirka das erzählt, lässt keinen Zweifel daran, für wie unwahrscheinlich sie einen solchen Fall hält. "Ihr seht, auch dies ist eine recht unrealistische Methode, denn man muss genau zur rechten Zeit kommen, und dann auch noch die Möglichkeit haben, das Schiff zu retten."

OHH

Wieder spricht die Bootsfrau von Kauf. Möglicherweise hat sie ja die Frage des Zyklopäers nicht recht verstanden, aber seltsam deucht es Yashkir doch.
Kurz schaut er sich mit zusammengezogenen Brauen nach den beiden Übungskämpfern um, die inzwischen an Deck ihr Unwesen treiben. Noch sind sie hinreichend entfernt, aber die hektischen Bewegungen irritieren den Südländer nicht unerheblich.
Wieder an Nirka gewandt wendet er ein: "Es schien mir vorhin, Ihr hättet eine wahrscheinlichere Variante im Hinterkopfe, an ein Schiff zu kommen. Falls ich mich nicht irre, solltet Ihr diese vielleicht nicht als letzte aufheben..."

JR

Nirka ist sich selbst nicht ganz sicher, welche Worte sie gewählt hat, ging es ihr doch mehr um die Sache an sich als die sprachliche Darstellung derselben.
"Allzu wahrscheinlich ist das alles nicht, zudem gehört eine ziemliche Portion Glück dazu. Vielleicht schaffe ich es ja auch einmal, einen Kaufmann vor dem Ertrinken zu retten, und er schenkt mir zum Dank ein altes Schiff." Dieses Mal ist ein gewisses Mass Ironie nicht zu überhören, auch wenn es zumindest für Nirka recht klar ist, dass diese Variante wahrscheinlicher ist als der zufällige Fund eines passenden Schiffes, auf das nicht jemand anders Anspruch erhebt.
"Was davon geschieht... das weiß wohl einzig Efferd alleine. Wenn mir das Glück nicht hold ist, dann wird es wohl die Variante mit dem abgewrackten Schiff werden, irgendwann."

OHH

Ein Irrtum also, basierend wohl auf unterschiedlichen Gewohnheiten des Formulierens. Drum nickt Yashkir nur bedächtig ebenso wie freundlich. Hat er ihr schon seine Wünsche ausgesprochen? Aber im Zweifelsfalle wird sie es ihm in diesem Zusammenhang kaum übelnehmen. "Hm, ja, wie gesagt: Viel Glück!"

JR

"Habt herzlichen Dank!" erwidert die Bootsfrau, auch wenn sie sich recht sicher ist, diese Worte in diesem Zusammenhang schon einmal ausgesprochen zu haben, "Ich denke, Glück werde ich wohl jede Menge brauchen, um dieses Ziel zu erreichen."
Nachdem das gesagt ist, wechseln ihre Blicke zwischen den beiden Männern, ein wenig unsicher, ob dieses Thema nun abgeschlossen ist, so dass sie die beiden einander überlassen kann.

OHH

Auch Yashkir empfindet das Thema als erschöpft, doch ein letztes Wort - sofern es denn ein letztes bleiben sollte - kann er sich dennoch nicht verkneifen: "Oh, sicher... Wobei ich nach meiner Erfahrung sagen darf, dass feste Wünsche dem Glück auf die Sprünge helfen, da sie die Sinne für Gelegenheiten öffnen."
Als er sich ein wenig umwendet, stellt er fest, dass es bei dem Übungskampf anscheinend eine kleine Verletzung gegeben hat. Jaja, der Übermut!

JR

"Nichts anderes habe ich vor", erwidert die Bootsfrau freundlich, und folgt dann kurz dem Blick Yashkirs zu den beiden Kämpfenden. "Ich denke, ich werde dann mal wieder an meine Arbeit gehen" - sie zeigt auf das umliegende Deck - "und vielleicht brauchen die da vorne ja auch Hilfe."
Noch bleibt sie jedoch stehen, falls einer der beiden Männer noch etwas zu sagen hat.

TS

Dass die Bootsfrau nun aber die kleine Gruppe verlassen will, findet Dariyon allerdings gar nicht gut, schließlich hat sie sich im Laufe des Gesprächs als sehr interessanter Gesprächspartner heraus gestellt. Doch ihm ist natürlich auch klar, dass eine Bootsfrau gewisse Pflichten zu erledigen hat und nicht die ganze Zeit mit Gesprächen verbringen kann. Doch bevor er sie verabschiedet, schaut er erst einmal zu Yashkir, vielleicht hat dieser ja noch etwas zu sagen.

OHH

Nachdenklich mustert Yashkir den stillen Mann. Es fällt ihm auf, dass ein ganz bestimmtes Phänomen unterbleibt: Wenn er sich sonst mit jemandem unterhält und ein dritter hinzukommt, geschieht es nicht selten, dass dieser Yashkirs Teil fast völlig übernimmt und ihn zum Zuhörer macht. Die Gründe für das diesmalige Anderssein der Situation können allerdings vielfältig sein.
"Nun, ich will Euch nicht aufhalten", brummt er zu Nirka und verabschiedet sie mit einer angedeuteten Verbeugung.

JR

Da keiner der beiden Männer Anstalten macht, sie aufzuhalten, erwidert die Bootsfrau Yashkirs Verabschiedung mit einer ebenfalls angedeuteten Verbeugung, und wendet sich dann bugwärts von den beiden ab.

OHH

Der Bewegung Nirkas folgend, beobachtet Yashkir noch einmal kurz das Gerangel. Es wirkt auf ihn nicht nur schmerzhaft, sondern auch recht hinterhältig. Muss man sowas auch üben, um für den Ernstfall gewappnet zu sein? Dem zartbesaiteten Südländer fiele dies schwer, so ohne Lebensbedrohung.

TS

Nachdem Nirka die kleine Gruppe endgültig verlassen hat, steht Dariyon ein paar Augenblicke unschlüssig neben Yashkir. Er ist sich unsicher, ob dieser nun das Gespräch mit dem Zyklopäer fortsetzen möchte, oder doch lieber in Ruhe gelssen werden möchte.
Dariyon beschließt, ihn einfach anzusprechen. An seiner Reaktion wird er dann schon erkennen können, ob er sich lieber entfernen sollte. Bleibt nur noch die Frage, mit welchem Thema er ihn ansprechen soll. Da bemerkt er, dass er eines der wichtigsten Dinge am Anfang eines Gespräches vergessen hat. In diesem Fall lag dies wohl daran, dass sich das Gespräch nicht entwickelt hat, sondern er sich direkt eingemischt hat.
"Verzeiht bitte, dass ich vergessen habe, mich vorzustellen: Ich bin Dariyon Pydoctis, Schriftsteller aus Teremon." Gespannt blickt Dariyon zu Yashkir.

OHH

Wirklich absonderlich, solche Rauflust! Das tut doch weh! "Hm? Oh!"
Der blonde Südländer dreht sich wieder dem Zyklopäer zu. "Hrm, angenehm. Magnibilität Yashkir al-Yeshinna el Yiyimris" heißt es, begleitet von einen angedeuteten Verbeugung.
Soweit der Reflex. Nun erst schließt sich eine kurze Analyse des Gehörten an. Tatsächlich mag dieser Mensch noch interessant werden! "Soso, was schriftstellert ihr denn so?"

TS

Dariyon lässt diesen Namen in sich nachkingen. Er klingt exotisch, wie auch das Erscheinungsbild des Mannes mit seinem inzwischen abgelegten Schleier, dem Turban und seinen Kleidern.
"Das hängt vollkommen von der Vorstellung der Auftaggeber ab, schließlich muss ich ja mit meinen Büchern meinen Lebensunterhalt verdienen. Je nach Auftrag schreibe ich Zeitberichte, fiktive Geschichten und Berichte über Erlebnisse des Auftraggebers, meistens natürlich so, dass dieser darin besser dargestellt wird, als er sich in Wirklichkeit verhalten hat. Manchmal schreibe ich auch Gedichte, wobei ich doch die epischen Texte bevorzuge.
Ihr seht, dass ich meistens nicht frei entscheiden kann, was ich schreibe, sondern mehr oder weniger das schreiben muss, was mein Geldgeber möchte." An Daryions Tonfall kann man erkennen, dass er diesen Umstand alles andere als gut findet.

OHH

"Oh, schade!" tut Yashkir sein ehrliches Bedauern kund. "Vorgaben behindern doch so die eigene Kreativität! Das könnte ich schwerlich über mich bringen."
Er lehnt sich ein wenig auf die andere Seite, obgleich das durch den Seegang nicht in dieser Weise erforderlich ist - fast, als wolle er damit seine Wendung im Gespräch auch durch den Körper andeuten: "Und was zu schreiben bereitet Euch am meisten oder ehesten Freude? Oder tut Ihr diesen gesamten Beruf nur des Geldes wegen?"

TS

"Nein, überhaupt nicht!" verneint Dariyon die Frage des Gegenübers energisch. "Nein, ich denke, wenn ich gar keine Freude am Schreiben hätte, wäre ich auch nicht in der Lage, Texte mit einigermaßen hoher Qualität zu schreiben. Gerade bei einem kreativen Beruf ist es so gut wie unmöglich, ihn allein des Geldes wegen auszuführen."
Nach einer kurzen Pause geht Dariyon auf die zweite Frage ein: "Wenn ich etwas für mich schreibe und nicht für einen Auftraggeber, schreibe ich meistens Geschichten, die nicht auf realen Begebenheiten beruhen, also frei erfundene Erlebnisse von frei erfundenen Personen. Diese Geschichten müssen auch nicht unbedingt in unserer Zeit spielen. Gerne schreibe ich auch in der Vergangenheit oder sogar in der Zukunft."
Dariyon beobachtet Yashkir, wie er wohl auf diese Aussage reagieren mag, schließlich stempeln viele Menschen solche Geschichten als niedere Literatur ab.

OHH

Etwas entschuldigend und letztlich erleichtert dreinblickend ist Yashkir der Rede gefolgt. Als der andere fertig ist, meint er: "Oh, das klingt doch interessant! Ich denke mir auch gern Geschichten aus." Etwas gedankenverloren lächelnd, stützt er sich auf den Stab. "Aber das würde wohl kaum jemanden faszinieren..."
Dann wirkt er, als wache er ins Hier und Jetzt auf und blickt Dariyon direkt an. "Wie stellt Ihr Euch die Zukunft denn vor?"

TS

Nach längerer Überlegung sagt der Zyklopäer: "Nun, es gibt natürlich einen großen Unterschied zwischen der Zukunft, wie ich sie in meinen Geschichten beschreibe, und der Zukunft, wie ich sie mir tatsächlich vorstelle. In meinen Geschichten müssen die Zeitumstände so sein, wie ich sie für die Handlung benötige. Das heißt, manchmal ist die Zukunft dort viel besser als unsere Zeit: Keine Armut, keine Verbrechen, keine Kriege... In anderen Geschichten dagegen beschreibe ich die Zukunft ziemlich düster, als eine Zeit des Schreckens, in der Armut das Land regiert, man täglich den Kampf ums Überleben bestehen muss, man sich jeden Tag aufs neue mit dem Tod auseinandersetzen muss.
Natürlich sind das beides Extreme, die so niemals eintreten werden. Ich persönlich glaube, dass die Welt sich in der Zukunft nicht sonderlich verändern wird. Meiner Meinung nach wird die Welt im Großen und Ganzen genau so wie heute aussehen, wenn die Zeit für uns gekommen ist, von dieser Welt zu gehen."

OHH

Das ist ja nun kein leichtes Thema, also lässt Yashkir den Mann geduldig ausreden, wie er es sich bei eigenen Monologen auch wünscht. Allerdings stellt er nebenbei erstaunt für sich fest, wie viel höher für die Realitätsdichte der eigenen Phantasien sein mag - außer vielleicht jene der Märchen um Prinzessin Gutemine. Fast vergisst er darüber, welche Frage er eigentlich gestellt hat.
Sein Blick wandert unbestimmt in die Höhe. "Faszinabel, solche Ideen kamen mir in diesem Ausmaß noch nicht! Aber mit der Zukunft werdet Ihr wohl recht haben, wenn man mal die Größe von Reichen als etwas ohnehin Vergängliches und Unwichtiges definiert. Vermutlich werden die Menschen zwar nicht dieselben, aber doch die gleichen bleiben." Mimik und Tonfall weisen deutlich auf eine gewisse Resignation hin.

TS

Ein paar Augenblicke lässt Dariyon die - sehr schön gesagten - Worte Yashkirs in sich nachklingen. Yashkir hat all das, was Dariyon mit seinen Worten ausdrücken wollte, in einem Satz zusammengefasst.
"Ja, Ungerechtigkeit wird wohl immer ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft bleiben."
Dariyon bemerkt, dass ihn das Gespräch zwischen Yashkir und ihm immer nachdenklicher und auch etwas unzufriedener mit der Weltsituation stimmt. Für ein paar Augenblicke richtet er seinen Blick hinaus auf das Meer, dann erst wendet er sich wieder seinem Gesprächspartner zu.

OHH

Gegen solche Aussichten möchte sich Yashkir doch verwahren! Etwas unwillig lehnt er sich zurück. "Also, wenigstens in seinem Rahmen sollte doch ein jeder dagegen antreten! Ihr wisst um die große Macht der sich selbst bewahrheitenden Behauptung?"
Mit hochgezogenen Brauen mustert er den Ausdruck seines Gesprächspartners eingehend. "Schreibt positiv, um Vorbilder zu geben!"

TS

In einem Punkt gibt Dariyon Yashkir vollkommen recht. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, zumindest sein Lebensumfeld angenehmer zu gestalten, davon ist der Zyklopäer überzeugt.
Mit dem anderen Gedanken, den Yashkir anführt, ist er allerdings nicht vollkommen einverstanden. "Meint Ihr nicht, dass es den Menschen mindestens genau so gut zu denken gibt, wenn ich über die negativen Dinge des Lebens schreibe? Ich glaube, die Menschen werden sich erst dann richtig bewusst, dass sie ihr Leben ändern müssen, wenn sie merken, wie negativ dieses Leben werden kann oder schon ist. Und Geschichten, die das Schlechte am Leben beschreiben, bewirken dies meiner Meinung nach sehr gut."

OHH

Der Südländer aber wiegt seinen Kopf. "Na, so bin ich zumindest nicht gestrickt. Solche Geschichten deprimieren mich eher so sehr, dass ich sie beiseitelege. Ich fürchte auch, allzu viele Menschen ahmen nur nach, was man ihnen vormacht. Aber wenn Ihr nur eine Handvoll erreicht, ist das ja auch schon etwas."

TS

Diesen Aspekt, den Yashkir angesprochen hat, hat Dariyon in seinen Überlegungen noch gar nicht bedacht. "Nun, sicherlich wird es Nachahmer geben, die den Schrecken der Geschichten in die Wirklichkeit umsetzen wollen, aber ich glaube, dass deren Zahl zu gering ist, als dass ich mir ernsthafte Sorgen darum machen müsste."
Wenn Dariyon sich so reden hört und die letzen Momente des Gesprächs noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen lässt, scheint es ihm, als könne Yashkir den Eindruck haben, Dariyon würde nur Texte über den Schrecken einer fiktiven Zukunft schreiben. Dies muss er nun doch einmal klar stellen: "Allerdings schreibe ich natürlich nicht nur Geschichten zu diesem Thema; genau genommen ist deren Zahl ziemlich gering. Ich denke, alles andere würde mich extrem depressiv stimmen."
Dariyon lächelt kurz bei dem Gedanken an einen Menschen, der sein ganzes Leben mit dem Erschaffen und Beschreiben solcher fiktiven Zeiten verbringt. Ein solcher Mensch würde wohl nach einer gewissen Zeit nicht mehr fähig sein, das Gute der Welt zu sehen, sondern völlig in seiner schlechten, schrecklichen und grausamen Welt versinken. Nein, so möchte Dariyon nicht enden! Natürlich darf er in seinen Geschichten das Schlechte nicht vernachlässigen, aber viel lieber ist es ihm doch, über das Gute, das Gerechte zu schreiben.

OHH

"Ja, mich auch", kann Yashkir nur mit einem Nicken zustimmen. "Aber ich meinte nicht, dass sich jemand an Euren Geschichten bewusst ein schlechtes Beispiel nehmen könnte, keine Angst! Ich denke, wer Böses daraus zieht, hat schon vorher die Veranlagung dazu."
Irgendwie kommt er sich schon wieder furchtbar geschwätzig vor, weshalb er kurz innehält, sinnend die Haltung geringfügig ändert und dann doch nicht anders kann, als weiterzuplappern: "Naja, wie auch immer. In meinen Geschichten suche ich immer nach Dingen, die ich mag. Sicher kann man damit eher begeistern."

TS

Als Reaktion auf Yashkirs Worte nickt Dariyon kurz. "Ja, das denke ich auch. Nur wenn man für die Dinge, über die man schreibt, auch begeisterungsfähig ist, schafft man es, auch die Leser damit zu begeistern."
Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Leider ist dies bei mir nicht immer möglich, dazu sind meine Aufträge oftmals zu speziell. Sicher streue ich immer wieder Elemente ein, für die ich diese Begesiterung empfinde und die ich dann auch so ausführlich wie möglich beschreibe, doch wenn ich mich für das Hauptthema nicht begeistern kann, leidet in jedem Fall die Qualität der Geschichte darunter."
Dem Zyklopäer fällt auf, dass er schon wieder ins Jammern verfällt. Um dieses Thema schnell wieder zu ersticken, stellt er Yashkir eine Frage, die mit ziemlicher Sicherheit auf ein anderes Thema hinleitet: "Was sind denn Dinge, für die Ihr Euch begeistern könnt?"

OHH

Hin und wieder hat Yashkir zustimmend genickt und einmal ein kurzes "So meinte ich es" eingeworfen.
"Ooooh", meint er schließlich langgedehnt und bedeutungsvoll auf die Frage hin, "das sind sehr unterschiedliche Dinge!" Natürlich fallen im zu allererst seine doch recht speziellen Leidenschaften ein, da die Formulierung ihn unwillkürlich von seinen bisherigen Gedanken abgelenkt hat. Doch dies wird ihm sogleich bewusst, und er möchte den jungen Mann nicht gleich mit seinen Sonderlichkeiten verschrecken.
"Sicher meint Ihr vor allem, was ich selbst für Geschichten erdenke. Nun, da ist zum einen der Märchenzyklus um die kleine Prinzessin Gutemine..." Versonnen lächelt er, das geistige Bild eines fröhlichen Mädchens mit einem irrwitzig kleinen Krönchen mitten auf dem Haupte mit den langen blonden Haaren.
Dann aber vergewissert er sich aber lieber erst einmal der Mimik seines Publikums.

TS

Interessiert hört Dariyon seinem Gesprächspartner zu. Märchen sind einer der wenigen Literaturstile, denen sich der Zyklopäer noch nicht bedient hat. "Ich habe zwar schon vieles geschrieben, aber ein Märchen habe ich mir noch nie ausgedacht", sagt er mit einem Lächeln im Gesicht, das auch etwas Anerkennung zeigen lässt, zu Yashkir. Kurz überlegt Dariyon, warum in der Reihe seiner Geschichten noch ein Märchen fehlt, aber er kommt zu dem Schluss, dass es wohl keinen Grund dafür gibt. Deshalb beschließt er just in diesem Moment, sich bald einmal an ein Märchen zu wagen, falls er die Zeit dazu findet.
"Aber verzeiht, dass ich Euch unterbrochen habe. Erzählt bitte weiter, was Ihr noch geschrieben habt."

OHH

So unterbrochen fühlt sich Yashkir gar nicht. Vielmehr ist er etwas irritiert, was er denn eigentlich gerade sagen wollte - ja sogar, OB er noch etwas sagen wollte.
Dann aber gewinnt er wieder Überblick über seine Gedanken. "Ähm, ja nun... Ich interessiere mich auch für Fesselgeschichten", gibt er halblaut zu, hat dann aber rettenderweise noch eine Korrektur anzubringen: "Eigentlich habe ich das alles noch nicht aufgeschrieben, sondern in meinem Kopf. Beziehungsweise es mal Kindern erzählt - also die Erlebnisse von Prinzessin Gutemine meine ich..."

TS

"Nun, ich denke, dass man Geschichten nicht unbedingt aufschreiben muss. Sicher ist es auch eine Herausforderung, die Handlung, die man sich ausgedacht hat, während des Erzählens in Worte zu fassen."
Kurz denkt Dariyon noch einmal über die Worte Yashkirs nach, dass er sich für Fesselgeschichten interessiere. Dariyon hat in seinem Leben schon viele Literaturarten kennen gelernt, beruflich bedingt, aber von Fesselgeschichten hat er noch nie etwas gehört. "Was genau versteht Ihr eigentlich unter Fesselgeschichten?"

OHH

"Hrm, ähm, nun ja..." räuspert sich Yashkir etwas verlegen, doch nun hat er damit angefangen, und er steht ja auch dazu. Zudem wäre es nicht das erste Mal, dass er bei jemandem schlummerndes Interesse weckt. "Es... geht um Geschichten, in denen jemand gefesselt wird, diese Fesselung also ein zentraler Punkt der Handlung ist. Eine spezielle Form der erotischen Geschichte, wenn Ihr so wollt."
Die freie Hand ist zum Gesicht emporgewandert; der Daumen liegt nun unter dem Kinn, während der Zeigefinger die Oberlippe streichelt und Yashkir die Reaktion seines gegenübers höchst aufmerksam verfolgt.

TS

Dariyon schaut seine Gegenüber etwas verwundert an. So etwas hätte er nun wirklich nicht erwartet, doch irgendwie mehrt sich auch seine Achtung vor Yashkir, denn Dariyon wäre es wohl nicht so leicht gefallen, darüber zu reden, wenn er überhaupt etwas dazu gesagt hätte. Nun hat Dariyon das Problem, dass er nicht weiß, wie er reagieren soll. Soll er sein Interesse, das durchaus vorhanden ist, zeigen und etwas genauer nachfragen? Oder wäre es doch besser, das Gesagte so stehen zu lassen und das Thema zu wechseln?
Nach einer kurzen Pause, in der der Zyklopäer schweigt, entschließt er sich, zunächst bei diesem Thema zu bleiben, schließlich hat Yashkir es von sich aus angesprochen, was er wohl nicht tun würde, wenn es ihm unangenehm wäre, darüber zu reden. "Woher nehmt Ihr die Inspiration für diese Art von Geschichte? Habt Ihr selbst Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt oder entstehen diese Geschichten aus reiner Fantasie?"

OHH

Wahrlich, ganz leicht fällt es Yashkir nicht! Und wie üblich ist es gegenüber einem Mann irgendwie um so schwieriger. Aber keinesfalls ist er jemand, der irgendwelche Fragen unbeantwortet lässt!
"Teils, teils. Nicht so viele Erfahrungen, wie ich gern hätte..." Es kommt ihm wie Selbstverständlichkeiten vor. Doch was soll er noch erzählen? Noch ist er keineswegs überzeugt, einen Gleichgesinnten oder auch nur wirklich Interessierten vor sich zu haben. Trotzdem denkt er über weitere mögliche Worte nach, derweil sich seine Blicke irgendwo ins Nichts richten.
Allerdings erübrigt sich dieses Problem sogleich, als der Zyklopäer sich unvermittelt verabschiedet. Unschlüssig schaut Yashkir ihm nach. Vielleicht muss jener ja nur einmal austreten.

Weiter am nächsten Abend in Rethis


Übersicht Yashkir

Redaktion und Lektorat: OHH 2004