Selbstkritik

von Oliver H. Herde im Mai 2023

Als ich in den ersten Monaten des Jahres 2020 eine wachsende Unruhe der Menschen über die aufkommenden Nachrichten bemerkte, ging ich damit zunächst um wie mit all ihren Vorgängern, die einer Aufmerksamkeit in keiner Weise wert waren. Selbst durch die Absage großer Veranstaltungen wie der Leipziger Buchmesse glaubte ich mich nicht betroffen, da ich daran aktuell ohnehin kein Beteiligungsinteresse aufbrachte. Obgleich ich die Maßnahmen als überzogen verspürte, erkannte ich noch nicht gleich deren neuartiges Ausmaß und die damit verbundenen Gefahren.
Ende Februar schaute ich mir erstmals die Zahlen an und konnte nichts Bemerkenswertes daran finden. Als ich mich zwei Wochen später auf den allgemeinen sozialen Druck hin nochmals damit befasste, ließ ich mich schließlich doch von der manipulativ inszenierten Statistik täuschen und beeindrucken. Überstürzt überreagierte ich mit der vorläufigen Aussetzung meiner Tanzkurse. Diesen schweren Fehler, in das Hysterie-Konzert eingestimmt zu haben, werde ich wohl bis an mein Lebensende bereuen.
Ich ahnte ihn erst, als wenige Tage später Aushänge alle Veranstaltungen im Stadtteilzentrum pauschal und unbegrenzt absagten. Solche Willkür von oben widersprach meinen innersten Bedürfnissen nach Rechtssicherheit und freier Selbstbestimmung.
Etwa zeitgleich spielten mir zwei meiner Mittänzer die ersten Videos von Sucharit Bhakdi und Wolfgang Wodarg zu. Erst in dieser einsamsten Zeit meines Lebens begann ich mit eingehender Recherche und der Analyse der Geschehnisse. Dass so viele dies nicht taten und sogar bösartig darauf reagierten, wenn man ihnen aus der Angst zu helfen suchte, konnte ich mir damals nicht einmal vorstellen, geschweige denn begreifen. Auch heute noch fällt mir das Verständnis hierfür überaus schwer.
Mit Hilfe der Zahlen war jedenfalls unzweifelhaft deren bedeutungslose Normalität zu erkennen: Es gab weit weniger Tote als bei vorangegangenen Grippewellen, obgleich die Statistiken mit anderen Todesursachen schon aufgeblasen waren; es wurde nicht unterschieden zwischen krank, infiziert und lediglich PCR-getestet. Wir hatten es mit einer Laborpandemie zu tun.

Zur Überbrückung der vermeintlich kurzen Tanzausfallzeit und um meine Leute wenigstens gedanklich bei der Stange zu halten erstellte ich einige Tanzvideos, in welchen ich allein Tänze vorführte. Als Satire trug ich anfangs dabei ein Tuch, um auf die bizarre Situation hinzuweisen. Dabei ahnte ich zunächst nicht, dass manche diesen Hohn nicht verstehen konnten und mich hierin ernst nahmen.
Erst als ich meine durch den Sauerstoffmangel bedingte Minderung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nicht mehr übersehen konnte, ließ ich die Maskierung weg. Bald darauf beendete ich das Videoprojekt ganz, da Gesellschaftstanz ohne Gesellschaft auf Dauer nun einmal keinen Sinn ergibt.

Schlimmer noch war etwas anderes: Ich ließ mir immer wieder Themen der "Gesundheit" aufzwingen, obgleich es doch von Anfang an um etwas anderes ging, nämlich die Beschneidung der Grund- und Menschenrechte, die unter keiner Bedingung zulässig sein kann und darf. Sie wurden nach den Schrecken des Nationalsozialismus formuliert, um jeden Übergriff staatlicher Gewalt zu verhindern - und nun ohne jede Rechtsgrundlage vom Tisch gewischt.

Aufgrund der unbegreiflichen Anfeindungen brauchte ich noch viel zu lange bis in den April, als ich mich endlich über meine Mailliste bei meinen Tänzern für meinen Irrtum und den sinnlosen Ausfall entschuldigte. Ich wollte eben zuvor ganz sicher sein. Da mir diplomatische Trickserei noch nie sonderlich gelegen hat, drückte ich zudem meine Sorge als Kursleiter und Sportlehrer über das Tragen von Masken aus und verbot ihre Benutzung in meinen irgendwann mal wieder stattfindenden Kursen aus Sicherheitsgründen. Dies war im Nachhinein betrachtet nicht bloß unnötig. Für ein gewisses Maß beging ich hierdurch das selbe Unrecht gegen die Selbstbestimmung wie die Regierungen und die von den Altmedien aufgepeitschte Gesellschaft.
Derweil die Mehrheit meiner Tänzer wie stets schwieg, kamen von einzelnen hitzige, teils gar anonyme Angriffe. Dem entgegen gab es immerhin ein paar einsame Stimmen, die mir beistanden. Ein Treffen in Natura wurde vorgeschlagen. Um jedem Gelegenheit zu geben, bot ich sogar zwei Termine im Park an, zu denen jedoch nur wenige erschienen, von den Coronatheoretikern nur ein einziger, was ich ihm entsprechend hoch anrechne. Fraglos hätte ich diese Treffen häufiger ansetzen sollen, um den Kontakt zu den Offenherzigen zu halten.

Ferner muss ich eingestehen, wider besseren Wissens manchen Unsinn mitgetragen zu haben. So hielt ich eine Zeit lang auf der Straße aus falscher Rücksichtnahme auf anderer Leute Ängste heraus tatsächlich Abstand. Damit habe ich ihnen nicht geholfen oder irgendeinen Gefallen getan, sondern sie in ihrer grundlosen Furcht noch bestärkt.
Um mich im Supermarkt nicht ständig streiten zu müssen, leistete ich auch beim Maskenzwang allzu lange allzu wenig Widerstand. Erst mit meiner Netzhautablösung wurde ich endlich vollständig konsequent. Ohne Waffengewalt werde ich niemals wieder eine Maske tragen.

Derweil ein Teilnehmer und Kollege im Sommer 20 bereits wieder Tanz im Freien anbot, stand ich noch zu sehr unter Schock, um selbst Vergleichbares zu versuchen oder auch nur bei ihm teilzuhaben. Beides gelang mir erst ein Jahr später, als ich durch meine regelmäßigen Besuche der Mahnwache vor dem RKI und meine Mitgliedschaft in der Basis wieder genügend Sozialkontakte aufgebaut und damit seelischen Beistand zurückgewonnen hatte.
Selbst nun, zwei Jahre später, vermag ich meine Depressionen oft nicht zu überwinden und hänge ich zuviel den Erinnerungen an freundlichere Zeiten nach. Noch hat sich gesellschaftlich wenig geändert; noch ist nichts aufgearbeitet. Ich erwarte nicht ernstlich auch nur von einem einzigen Täter eine Entschuldigung; ich erhoffe lediglich bei den meisten wenigstens irgendwann eine stumme, heimliche Erkenntnis ihrer Taten und den Willen, eine Wiederholung auszuschließen. Womöglich bin ich zu anspruchsvoll. In jedem Falle kümmere auch ich mich zu sehr darum, was andere denken mögen.


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Oliver H. Herde